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Kultur: Haushaltsdefizit und Blauer Brief: Dreikommanull heißt Dreikommanull

Ausgerechnet Deutschland. Der Euro-Streber, der mit seinem damaligen Finanzminister Theo Waigel die Gemeinschaftswährung "so hart wie die Mark" machen wollte und deshalb den Stabilitätspakt zimmerte, wird nun selbst wegen der hohen Schuldenrate von Sanktionen bedroht.

Ausgerechnet Deutschland. Der Euro-Streber, der mit seinem damaligen Finanzminister Theo Waigel die Gemeinschaftswährung "so hart wie die Mark" machen wollte und deshalb den Stabilitätspakt zimmerte, wird nun selbst wegen der hohen Schuldenrate von Sanktionen bedroht. Peinlich: Die Deutschen, die vor der Euro-Einführung auf Stabilität pochten und vor allem die Franzosen in der Debatte um das Kriterium der Nettoneuverschuldung nervten, sie könnten in diesem Jahr gegen eben diesen Punkt des Stabilitätspakts verstoßen.

Normalerweise darf die Nettoneuverschuldung eines Euro-Teilnehmerstaates drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigen. Und weil dies im Stabilitätspakt klar festgelegt ist, versteht man auch in Brüssel den Aufschrei von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nicht. Der Kanzler hatte in einem Interview mit der "International Herald Tribune" nach den tieferen Gründen für den drohenden blauen Brief aus Brüssel gefragt.

Unverständnis in Brüssel

An der Warnung an Deutschland, über die letztlich die EU-Finanzminister am 12. Februar entscheiden werden, will man aber bei der EU-Kommission in jedem Fall festhalten - allein schon um das Vertrauen in die neue Währung zu stärken. Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel müssen sich von der Kommission vorrechnen lassen, dass es andere Euro-Länder nach einem harten Konsolidierungskurs schließlich auch geschafft haben, ihre Haushalte auszugleichen oder sogar Überschüsse zu erwirtschaften: Finnland schreibt in seinem Haushalt schwarze Zahlen. Und Spanien, das wegen seiner Größe und der chronischen Probleme bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit noch eher mit Deutschland zu vergleichen ist, peilt im laufenden Jahr einen ausgeglichenen Etat an.

Sympathie in Paris und Rom

Freilich trifft die schlechte Konjunkturlage alle Euro-Teilnehmerstaaten mehr oder weniger hart. Vor allem in Frankreich und Italien, die in ihren Haushalten fast genauso schlechte Daten aufweisen wie Deutschland, wird die deutsche Diskussion über die Auslegung der Stabilitätskriterien genau verfolgt. Zwar wurde am Montag im Eichel-Ministerium die Meldung "knallhart" dementiert, künftig würde der Stabilitätspakt verändert, und bei der Beurteilung der Haushalte in den Teilnehmerstaaten sollten konjunkturelle Einflüsse stärker berücksichtigt werden. Allerdings war es Eichel selbst gewesen, der im vorigen Sommer Zweifel am Stabilitätspakt geäußert hatte. Der Finanzminister hatte für eine stärkere Konzentration auf die Ausgabenseite der Etats plädiert - wie es beispielsweise in den US-Budgets der Fall ist.

Derartige Überlegungen zu einer Neufassung des Stabilitätspaktes sollten, so hieß es damals im Finanzministerium, aber nur für den Fall gelten, dass das von wirtschaftlichem Abschwung, hoher Arbeitslosigkeit und steigenden Verteidigungsausgaben gebeutelte Deutschland finanzpolitisch wieder über den Berg ist. Sobald sich eine Konjunkturerholung abzeichnet, dürften allerdings auch wieder die Brüsseler beim deutschen Finanzministerium auf der Matte stehen: Sie fordern für diesen Fall neue Sparprogramme für 2003 und 2004. Wegen der Alterung der deutschen Gesellschaft, so heißt es lakonisch in einer Mitteilung der Kommission, haben die Brüsseler Haushalts-Wächter auch ein kritisches Auge auf die Gesamt-Verschuldung in der Bundesrepublik gerichtet: Bis zum Jahr 2005, so will es die EU-Kommission, muss die Schuldenquote von gegenwärtig über 60 auf 55,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sinken.

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