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Kultur: Heimliche Hauptrollen

Muss man über Ernst Lubitschs hinreißende Anti-Nazi-Turbuleske Sein oder Nichtsein noch viele Worte verlieren? Schließlich gehören Bronski und Grünberg, das Ehepaar Tura, Konzentrationslager Ehrhardt und Hauptmann Schultz zum cineastischen Grundwortschatz.

Muss man über Ernst Lubitschs hinreißende Anti-Nazi-Turbuleske Sein oder Nichtsein noch viele Worte verlieren? Schließlich gehören Bronski und Grünberg, das Ehepaar Tura, Konzentrationslager Ehrhardt und Hauptmann Schultz zum cineastischen Grundwortschatz. Anschauen aber kann man den Film, der ab heute im Nickelodeon in neuer Kopie läuft, nicht oft genug. Denn die Raffinesse und das Tempo, mit dem Sein und Schein, Todesernst und spielerischer Übermut, Kollektivkampf und Einzelkämpfertum gegeneinander ausgespielt werden, kann einem auch beim zwanzigsten Sehen noch den Atem rauben. Ihre Kunst der theatralischen Verstellung ist für Lubitschs Helden die einzige Überlebenschance. Andererseits ist diese Theaterwelt durchsetzt mit Künstlereitelkeiten, die Lubitsch aus Hollywood kannte.

Auch die letzte Folge der vier MGM-Agatha-Christie-Adaptionen mit Margaret Rutherford spielt in der von Profilneurosen geprägten Halbwelt eines Provinztheaters, wo sich Miss Marple als Charge verdingt. Shakespeare allerdings wird in Vier Frauen und ein Mord (Murder Most Foul) nicht gegeben, eher britisch hausbackene Kost. Und auch das Cross-over zwischen Krimihandlung und Bühne bleibt in George Pollocks routiniert humoristischer Inszenierung auf gewollte Bühnenversprecher und Klappböden beschränkt. Für einen Familiensonntagnachmittagsausflug ins Lichtblick-Kino durfte die Krimikomödie dennoch angemessenes Futter sein.

Trotz gleicher FSK-Klassifizierung gar nicht jugendfrei ist die Christie-Adaption eines anderen Exilanten, die bis Samstag im gleichen Kino läuft: Ein Klassiker, der mit Bravour vorführt, dass die Autorin keinesfalls bieder aussehen muss, wenn man sich einige Freiheiten herausnimmt. Und auch dass, siehe Lubitsch, Humor keinesfalls in Harmlosigkeit münden muss. Allerdings hat – Rutherford-Fans mögen verzeihen – Billy Wilders Gerichtsdrama Zeugin der Anklage neben dem großartigen Charles Laughton auch eine weibliche Heldin von Format: Nicht die Dietrich ist hier gemeint, sondern Miss Priscoll, eine etwas mausige Krankenpflegerin, die dem herzkranken Anwalt das Lotterleben genüsslich schwer macht. Gespielt wird sie von der großartigen Elsa Lanchester, die im sogenannten richtigen Leben Laughtons Ehefrau war.

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