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Kultur: Heiße Luft der Spiele

„Die Welt ist zwar kein Fußball“, schrieb Ror Wolf 1979, „aber im Fußball, das ist kein Geheimnis, findet sich eine ganze Menge Welt. Es ist eine zuweilen bizarre Welt, in der unablässig Gefühlsschübe aufeinanderprallen; Emotionen, die jederzeit in ihr Gegenteil umschlagen können: Entzücken in Entsetzen, Begeisterung in Wut, Verzweiflung wieder in Entzücken.

„Die Welt ist zwar kein Fußball“, schrieb Ror Wolf 1979, „aber im Fußball, das ist kein Geheimnis, findet sich eine ganze Menge Welt. Es ist eine zuweilen bizarre Welt, in der unablässig Gefühlsschübe aufeinanderprallen; Emotionen, die jederzeit in ihr Gegenteil umschlagen können: Entzücken in Entsetzen, Begeisterung in Wut, Verzweiflung wieder in Entzücken. - Natürlich, das haben wir alles schon vorher gewusst; und nun wissen wir es auch nicht besser.“ Auch am Ende des Buches „Die heiße Luft der Spiele“ nicht, das aus Originaltönen besteht, die Wolf auf Tribünen und Stehkurven, in Kneipen, auf dem Trainingsplatz und im Fan-Bus sammelte und verdichtete.

Den Autor muss man sich wie eine Figur aus einer seiner – von Max Ernst inspirierten – Collagen vorstellen: korrekt gekleidet, mit Schirm, vor der grandiosen Kulisse einer erstarrten Naturgeschichte, an deren gamaschenbewehrten Beinkleidern ein unberechenbares Meer leckt. Der Schriftsteller versammelt schon in seiner ersten Veröffentlichung „Fortsetzung des Berichts“ (1964) den „ganzen Wortschwall der Gesellschaft". Doch zwischen all die Wendungen, die wie gute alte Bekannte daherkommen, drängen sich eigentümliche Katastrophen aus Abenteuer-, Horror- und Science Fiction-Romanen.

Die Figuren kümmern sich nicht darum. „Der Matrose erzählte von einem tropfenden Körper, den er beinlos aus dem Wasser zog, was für ein Tag, sagte ich, was für ein Tag.“ Als in „Pilzer und Pelzer. Eine Abenteuerserie“ (1967) eine Invasion krebsähnlicher Tiere beginnt, saß „Pilzer mit geschlossenen Augen dabei, ich glaube, er schlief, es war schwer zu sagen, keine Wolke, kein Luftzug, wie wir schon hörten, die beschriebenen Tiere krochen über ihn weg, sie krochen in seine Taschen, in seine Ärmel und Hosenbeine hinein und, wenn ich mich richtig erinnere, auch in den offen schnarchenden Mund. Ror Wolf erzählt auf scheinbar kontinuierliche Weise von der Kontinuität des Vertrauten, die von einer beunruhigenden, undeutlich gewordenen Parallelwelt bedrängt wird. Dieser „Ausflug an den vorläufigen Rand der Dinge“ (1988), der ihm eine kleine, treue Anhängerschaft beschert hat, kennt keine Entwicklung.

Ror Wolf ist unverkennbar – ob er nun, wie in den siebziger Jahren, vornehmlich Hörspiele schreibt, oder 1987 „Mehrere Männer“ eher ab- als beschreibt. „Das nächste Spiel ist immer das schwerste“, wusste Ror Wolf schon 1982. Auch aus diesem Grund - und nicht nur, weil er heute seinen 70. Geburtstag feiert - ist es unmöglich, in diesen Tagen nicht an ihn zu denken. Jörg Plath

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