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Du und ich im Wasserfall. Helene Fischer auf ihrer Tour „Live 2023“ mit dem Cirque du Soleil.

© Sandra Ludewig

Freudentaumel und Automatendisko: Helene Fischer mit dem Cirque du Soleil in Berlin

Zuletzt gastierte der Superstar 2018 im Berliner Olympiastadion. Jetzt kehrt sie auf ihrer „Rausch“-Tour mit gleich fünf Konzerten zurück. Der Auftakt gerät erschöpfend perfekt.

Beneidenswert, was sich diese Frau freuen kann. Wie tief berührt sie ist. Wie oft sie beteuert „ehrlicherweise muss ich sagen“. Wieviel sie spürt. Wie hingebungsvoll sie dankt. Der Band, den Tänzer:innen und Akrobaten, der Technik, dem Team. Und natürlich dem Publikum, immer wieder dem Publikum: „Danke Berlin, für die Sonne, die ihr heute mitgebracht habt, auch für die in euren Herzen.“

Hab‘ Sonne im Herzen, ob’s stürmt oder schneit, ob der Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit. Das ist zwar eine Strophe aus einem Gedicht, das lange vor den 17 Jahren geschrieben wurde, die die Ausnahmekarriere des Superstars Helene Fischer bereits währt. Aber es passt blendend zu einem Schlagerstar, der viel zu professionell ist, um auch nur eine Sekunde miesepetrig zu sein.

Großes Showbesteck. Helene Fischer am Dienstag in der Arena am Ostbahnhof, beim ersten von fünf Konzerten.

© picture alliance/PIC ONE/Ben Kriemann

„Ich bin so ein positiver Mensch“ jubiliert Helene Fischer gegen Ende ihres mehr als dreistündigen, nur durch eine Pause unterbrochenen Hitmarathons „in dieser wunderschönen Halle“, womit sie die nie zuvor durch ästhetische Qualitäten aufgefallene Arena am Ostbahnhof meint.

Doch vor den ersten Akkord des Auftakts von Helene Fischers fünf Konzerten, die sie auf ihrer „Rausch“-Tour in Berlin spielt, hat ihr Marketing die Kinowerbung zum Konzert gesetzt. Für die Tourpartner Lidl, Aida Kreuzfahrten, die Deutsche Vermögensberatung und die eigenen Produkte des Superstars.

Als die Verkaufe per LED-Wand beendet ist, dröhnt ein Intro mit stilisierten Herzschlägen durch das wohl gefüllte Rund. Und aus einem Stoffjuwel, das über der Bühne baumelt, fährt Helene Fischer nieder und eröffnet die Tanzparty in Stroboskopgewittern mit „Null auf Hundert“, einer treibenden Dancefloornummer vom 2021er Album „Rausch“. Mit „Genau dieses Gefühl“, „Fehlerfrei“ und „Herzbeben“ geht die Sause fröhlich weiter.

Ein paar Schattierungen ernster

Ordentlich Budenzauber à la Friedrichstadt-Palast, inszeniert und ausgeführt vom Cirque du Soleil, eine Batterie Tänzer:innen, eine Voll-auf-die-Zwölf-Band und eine stimmgewaltige Sängerin, deren hart antrainierte Fitness auch gesangliche Höhenflüge ermöglicht, wenn sie kopfüber am Trapez hängt. Nichts Neues also vom Bootcamp Fischer? Nein, so ist es nun auch wieder nicht. Verglichen mit ihrem letzten Berliner Tourstopp 2018, als eine ungemein sonnige Sängerin im Olympiastadion gleichzeitig Silvester und Kindergeburtstag feierte, kommt die 1984 in Krasnojarsk geborene Millionensellerin samt ihrer Show eine paar Schattierungen ernster rüber.

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Pandemie, Kriege, Krisen, die Welt hat sich verändert, auch für Helene Fischer, die immer wieder betont, wie wunderbar es sei, „wieder da zu sein“. Sie hatte eine Babypause eingelegt, den Moderatorenhänfling an ihrer Seite durch einen Artisten ersetzt, dessen wohldefinierter Oberkörper Szenenapplaus erhält, wenn er mit der Sängerin wie weiland Tarzan und Jane an einem Seil über der Bühne schwebt.

Und auf dem Album „Rausch“, das der Tour den Namen gibt, klang Fischers auf der Bühne wie eh und je strahlender Sopran plötzlich nach einem Stich Bonnie Tyler. Balladen wie „Luftballon“ und „Wann wachen wir auf“ erzählen von Verlust, Klimakrise und fehlendem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zumindest legt Fischers Gefühligkeitsprosa diese Interpretation nahe.

Da wirkt es fast schon zynisch, wenn die achtsame Sängerin Zeilen wie „Wie könn‘n wir uns nur so zerstör’n“ mit einer schwungvollen Leiterakrobatik-Nummer kombiniert, die das Publium schön von einer allzu peinigenden Selbstbefragung ablenkt.

Nur folgerichtig, dass Helene Fischer, die ihr Team nach Art einer Zumba-Trainerin gern mit „Let’s go“-Rufen anfeuert, ihren Superhit „Atemlos“ gegen Ende der zweiten Hälfte als lebende Automatendisko darbietet – festgeschnallt auf einem Roboterarm, der sie hochhievt und herumschleudert. Serielle Fertigung, Popschlager-Produktionsstraße, Rummeleffekte und Lebenskarussell – bei diesem erschöpfend perfekten Showstar wird alles eins.

Selbst die beiden kleinen Mädchen da vorne, die den ganzen Abend durchgehüpft und geklatscht haben, sind platt und sinken bei den Zugaben „Blitz“ und „Alles von mir“ mit leerem Blick in die Sitze. Der Vater nimmt eins tröstend auf den Schoß. Nur die drahtige Mutter Typ Helene-hardcore-Fan tanzt weiter. Go Girl, Go.

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