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Das Hemsing-Festival findet 160 Kilometer nördlich von Oslo statt.

© Hasko Witte

Hemsing-Festival in Norwegen: Sinfonie in Schnee-Dur

Die Geigerinnen Eldbjørg und Ragnhild Hemsing veranstalten ein Festival in dem Dorf nördlich von Oslo, in dem sie aufgewachsen sind: Klassik und Folklore gehen hier eine natürliche Verbindung ein.

Ein Winter wie aus dem Bilderbuch: Die Straße nach Aurdal führt durch tief verschneite Landschaften, vorbei an zugefrorenen Seen und weiß gepuderten Hängen mit bizarren Eiszapfen, die erstarrten Wasserfällen ähneln.  Das norwegische Dorf rund 160 Kilometer nördlich von Oslo zieht in der frostigen Jahreszeit nicht nur Skitouristen an. Die Geigerinnen Eldbjørg und Ragnhild Hemsing veranstalten hier seit zehn Jahren ein Kammermusikfestival.

Zu dem gerne internationalen Künstlerfreunde kommen. Bei der Jubiläumsausgabe wirkten unter anderem der Pianist Martin Stadtfeld, der Bratschist Adrien La Marca und das Münchner Goldmund Quartett mit.  

Rückkehr an den Ort ihrer Kindheit

Die beiden Schwestern wuchsen in dem Ort mit nur knapp 700 Einwohnern auf, Ragnhild Hemsing ist inzwischen auch wieder in Aurdal zu Hause. „Mit dem Festival sind wir zu unseren Wurzeln zurückgekehrt“, sagen sie. „Wir wollen nicht nur besondere Konzerte spielen, sondern auch ein reiches Kulturerbe bewahren.“ 

In der Dorfkirche vom Aurdal erklang Edward Griegs „Peer Gynt“-Musik.

© Terje Stöve

Klassische Musik und lokale Folklore gehen hier eine natürliche Verbindung ein. Edvard Griegs Bühnenmusik zu „Peer Gynt“ erklang einmal ganz anders als gewohnt: In einer schmucken Holzkirche aus dem 18. Jahrhundert, dem Wahrzeichen des Dorfes, führte Ragnhild Hemsing die bekannte Suite mit den Trondheim Soloists in einem modernen Arrangement auf.  

Klassik trifft Folklore


Neben ihrer Violine spielte sie dabei auch die Hardangerfiedel, ein Volksmusikinstrument aus dem Süden Norwegens. Grieg hat zwar nie für diese Fiedel komponiert, war aber stark von der Folklore seiner Heimat beeinflusst. In „Peer Gynt“ ist dies deutlich in dem Vorspiel „Morgenstimmung“ zu hören. Diesen urwüchsigen Klang hat Hemsing durch ihr Spiel neu zum Leben erweckt. Das Projekt ist auch als Album erschienen, beim Label Berlin Classics. 

Der Joik-Gesang von Marja Mortensson entführt die Zuhörer in die archaische Welt der Samen. In einer Familie von Rentierhirten aufgewachsen, beschäftigte sie sich schon früh autodidaktisch mit der musikalischen Tradition des nordischen Urvolks. Selbst Norwegern mögen ihre gutturalen Laute exotisch vorkommen – noch dazu singt Mortensson in ihrer Muttersprache Südsamisch, die nur noch rund 500 Menschen beherrschen.  

Faszinierender Joik-Gesang der Samen

Als Joik-Sängerin ist sie sogar schon auf anderen Kontinenten aufgetreten, etwa in Taiwan, in Sibirien und in der Republik Kongo. Vor einigen Jahren erhielt sie den Spellemannprisen, das norwegische Pendant zum Grammy. Mortenssons Stimme fasziniert, man merkt ihrer Botschaft eine große Dringlichkeit ein. Denn die Samen müssen längst um den Erhalt ihrer Lebensformen kämpfen. Ein Verfahren vor dem Obersten Gericht gegen zwei Windparks in Zentralnorwegen haben die Ureinwohner zwar gewonnen – doch die Betreiber ließen dem Urteil bisher keine Taten folgen.  

Auf Skiern ins Konzert

Im Festivalprogramm war der musikalische Bogen weit gespannt. Gemeinsam mit dem Gitarristen Thibaut Garcia spielte das Goldmund Quartett etwa den mit Kastagnettenklängen gewürzten „Fandango“-Satz aus Luigi Boccherinis Gitarrenquintett D-Dur. Eindrücklich interpretierten die Schwestern mit La Marca und anderen Gästen Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“ und Robert Schumanns mitreißendes Klavierquintett op. 44.  

Ein höchst ungewöhnliches Erlebnis boten die Auftritte des norwegischen Jazz-Perkussionisten Terje Isungset, der auf Schlagwerk und Hörnern aus Eis spielt. Die Auswirkungen des Klimawandels zwangen die Veranstalter zum Improvisieren. Für den ursprünglich geplanten Iglu waren die Temperaturen knapp unter den Gefrierpunkt in diesem Februar zu hoch, die Konzerte fanden deshalb in einer Jurte statt.  

Sportliche Besucher konnten sich Ski anschnallen und bei strahlendem Sonnenschein über eine Piste zum Kammerkonzert in einer Bergkirche fahren. Bei einem Aperitif mit Musik und Tanz gab es außerdem eine Einführung in die Geschichte der Verrücktheit in der Bergregion Valdres – allerdings, wie auch bei etlichen anderen Programmpunkten, leider ohne englische Übersetzung.  

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