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Szene aus dem Berlinale-Film "Henry Fonda for President". Regie: Alexander Horwath, Sektion: Forum 

© Michael Palm / Mischief Films, Medea Film Factory

„Henry Fonda for President“ im Forum der Berlinale: Regent der Träume

Alexander Horwaths Essayfilm „Henry Fonda for President“ (Forum) porträtiert den US-Star und rollt zugleich die ambivalente Geschichte der USA auf.

Henry Fonda als US-Präsident – auf die Idee kam die Titelfigur der Sitcom „Maude“ in einer Folge von 1976. Fonda trat als Gaststar auf, amüsiert über den Vorschlag, war aber entschieden dagegen. Aus der Traum für Maude alias Bea Arthur, die später als eine der „Golden Girls“ weltberühmt wurde.

In den Traumzonen des Kinos war Henry Fonda (1905 – 1982) einer Präsidentschaft allerdings nicht abgeneigt. Er spielte 1939 den jungen Abraham Lincoln, stand als „Der Kandidat“ 1964 kurz vor der Ernennung, verkörperte in „Angriffsziel Moskau“ und „Meteor“ dann amtierende US-Präsidenten. Die Underdogs waren ihm letzlich jedoch näher, der Landarbeiter in „Früchte des Zorns“ oder der Stork-Club-Bassist in der Justizmühle – Hitchcocks „Der falsche Mann“.

Mit seinem Essayfilm „Henry Fonda for President“ gräbt sich der Wiener Filmhistoriker Alexander Horwath tief in die fiktionalen Sedimente der US-Kultur ein. In drei auf- und anregenden Filmstunden liefert der frühere Direktor des Österreichischen Filmmuseums nicht nur ein Porträt des Ausnahmeschauspielers, er faltet auch die ambivalente Geschichte der USA auf. Sie spiegelt sich in den Rollen, Gesten und Sätzen des Akteurs – laut Horwath ein „Auteur“, der es an Gestaltungskraft mit seinen Regisseuren aufnehmen konnte.

Neben Fonda-Filmausschnitten, Material aus Reisen ins heutige Amerika oder TV-Clips greift Horwath auch auf die Bänder eines Mammutinterviews zurück, das der Schauspieler ein Jahr vor seinem Tod mit dem Journalisten Lawrence Grobel führte.

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Die andere zentrale Stimme des Films gehört Horwath selbst. Am Anfang seiner Erzählung steht eine Familienreise nach Paris, im Sommer 1980. Seine Eltern gehen mit ihm ins Kino, drei Fonda-Filme brennen sich ihm ins Gedächtnis. Wie auch die schamhafte Geste des Hochspringers Gerd Wessig nach dessen Olympia-Sieg, den der Junge auf dem Hotelfernsehbildschirm erlebt.

Die Hand, die das Gesicht verdeckt: eine typische Fonda-Geste, zu sehen auch in seinem letzten Kinofilm „Am goldenen See“, der in jenem Sommer 1980 in New Hampshire gedreht wird. Fonda verbirgt sein Gesicht und damit seine Gefühle vor seiner Tochter, gespielt von der echten Tochter. Von Jane Fonda und auch von Peter Fonda wird im Film noch die Rede sein, vom linken Aktivismus der Kinder und der politischen Zurückhaltung des Vaters.

Horwath verfolgt den Stammbaum der Fondas zurück bis in die Niederlande, reist nach Albany, wo die streitbare, aus Leiden stammende Hester Janse Fonda ab 1651 lebte. Erzählt wird auch von Douw Fonda (1700 - 1780), der im Mohawk Valley das noch existierende Dorf Fonda gründete. Henry Fonda hat 1939 in „Trommeln am Mohawk“ einen Siedler am Beginn des Unabhängigkeitskriegs gespielt, der sein eigener Urahn sein könnte. In John Fords Abenteuerfilm kämpfen die Kolonisten gegen die Indigenen; Horwath sieht Szenen eines beginnenden und „lange andauernden Völkermords“.

In „Ritt zum Ox-Bow“ werden vor Fondas Augen und trotz seines Widerstands drei angebliche Viehdiebe gelyncht. Im September 1919 wurde er als 14-Jähriger Zeuge des Lynchmordes an dem Schwarzen William Brown in Omaha. Eine traumatische Urszene, die in Fondas Spiel in „Die zwölf Geschworenen“ widerhallt, wo seine Argumente einen jungen Puertoricaner vor dem elektrischen Stuhl bewahren.

Die Fonda-Welt, das geträumte Abbild der historischen Wirklichkeit, umfasst auch Alptraumgestalten: den nach General Custer geformten Lieutenant Colonel Thursday in „Fort Apache“ und den mordgierigen Frank in Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“. In seinen Rollen durchmaß der Schauspieler die Traumata und die Utopien der USA.

Präsident wurde der Schauspieler Ronald Reagan. In seiner Parteitags-Predigt vom 17. Juli 1980 (Ankunftstag der Horwaths in Paris!) öffnet Reagan als Noch-Präsidentschaftskandidat „die Schleusen fürs Imaginäre so weit, dass aus der historischen Realität der USA ein neuer Bibelschinken werden kann“, so Horwath. Und wir hören Henry Fonda, der Reagans Performance einfach nur „zum Kotzen“ findet.

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