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Benjamin Lillie

© Arno Declair

"10 Gebote" am Deutschen Theater: Her mit den Heuschrecken

Um Gottes Willen: Jette Steckel inszeniert die „10 Gebote“ am Deutschen Theater – zu Texten von zehn verschiedenen Autoren.

Gleich mehrfach im Verlauf dieses vierstündigen Abends wünschte man sich, Gott höchstpersönlich, und zwar ein alttestamentarischer, humorloser, rachsüchtiger Gott, würde eingreifen und diesem Mumpitz in seinem Namen ein Ende bereiten. Blitze schleudernd oder Plagen sendend.

„10 Gebote“ ist Jette Steckels Inszenierung am Deutschen Theater getauft, und der Titel ist Programm. Verschiedene namhafte Autorinnen und Autoren waren eingeladen, sich über je einen Erlass aus Jahwes Dekalog Gedanken zu machen. Was ja auf dem Papier noch nach einer reizvollen Idee ausschaut. In Zeiten, in denen auch in Deutschland Rechtspopulisten die Religion wiederentdecken, um ihr Arsenal an fremdenfeindlichen Ressentiments aufzustocken, kann eine Beschäftigung mit den Top Ten des christlichen Ethikprogramms ja kaum schaden. Allein, wenn Steckels neunköpfiges Ensemble zu Beginn einen Tanz zum gutgelaunten Kinderlied „Immer muss ich alles sollen“ von Gisbert zu Knyphausen hinlegt, schwant einem bereits, dass die angepeilte gedankliche Tiefe nicht einmal die des Toten Meeres erreichen wird.

Clemens Meyer hat sich dem ersten Gebot gewidmet, dem Exklusivitäts-Verdikt „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“. Das klingt dann so: „Es kann nur einen geben, wie beim Highlander – mein Name ist Mäcloud, ich bin unsterblich, ich bin der Wolkenmäcki. Wie man sich betet, so lügt man.“ Kurzum: Monolog- Performer Benjamin Lillie muss ein präpotentes Gefasel abspulen, von dem er offensichtlich selbst kein Wort versteht. Da steckt mehr Erkenntnisgewinn im Song „Mein Gott hat den Längsten“ von Alligatoah.

Gleich danach geht’s stimmungsmäßig krass in die Gegenrichtung, wenn Lorna Ishema und Natali Seelig in Sherko Fatahs Beitrag zum zweiten Gebot, „Du sollst den Namen deines Gottes nicht missbrauchen“, eine Verhörsituation nachstellen. Verhandelt wird dabei in düster raunendem Ton der Missbrauch eines jungen Mädchens, und irgendwie hat das Ganze auch mit Ehre und Religion zu tun.

Bei den Texten hat Steckel wenig Glück

Zugegeben, es ist ja nicht leicht, so etwas wie einen dramatischen Bogen hinzubekommen, wenn man ein Dutzend grell disparater Texte oder auch Videosequenzen unter einem Dach zusammenspannen soll. Allerdings unternimmt Regisseurin Jette Steckel auch keine erkennbaren Anstrengungen dazu. Ihr Bühnenbildner Florian Lösche hat einen grauen Sakralkasten mit mehreren Etagen und Räumen auf die Drehbühne gesetzt. Mit Kreide wird das jeweils anstehende Gebot und der dazugehörige Autor an die Wand geschrieben. Das muss zur Orientierung auf dieser biblischen Irrfahrt genügen.

Klar, solche episodischen Unternehmungen hängen sehr vom Inspirationsgrad der jeweiligen Auftragsschreiber ab. Da hatte Steckel wenig Glück. Navid Kermani („Du sollst nicht stehlen“), Felicia Zeller („Du sollst nicht lügen“) oder Nino Haratischwili („Du sollst nicht ehebrechen“) gelangen nicht über gefällige Routine hinaus. Dea Loher – deren Beitrag „Weine nicht, singe“ noch dazu ein aufgewärmtes Opernlibretto ist – bewegt sich sogar nahe an der Selbstparodie. Zum Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib…“ liefert sie eine ihrer üblichen Schmerzens-Suaden, in der unentwegt „Kriegstreiberei, verkackte“ oder Ähnliches geflucht wird.

Nur gelegentlich blitzt so etwas wie Humor auf. Im Falle von Mark Terkessidis’ antikapitalistischem Kurzessay „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“, den Ole Lagerpusch und Wiebke Mollenhauer in hautengen Glitzerkostümen performen, ist man sich bezüglich des Freiwilligkeitsgrades nicht ganz sicher. Die Gebots-Abwandlung „Du sollst stehlen“ dagegen, die Maxim Drüner von K.I.Z. und Juri Sternburg verfasst haben und die Ole Lagerpusch und Benjamin Lillie im Stile von Gilbert & George als ketterauchende Vulgärphilosophen performen, ist zumindest ein kurzer komischer Lichtblick.

Wie es allerdings dazu kommen konnte, dass ein dusseliges Einspielfilmchen zum Thema „Du sollst den Feiertag heiligen“ nicht hochkant aus dem Abend geflogen ist, bleibt rätselhaft. Genau so wie die Entscheidung von Jan Soldat, das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ mit nachgestellten Interviews zu bebildern, in denen Männer darüber fantasieren, sich schlachten und auffressen zu lassen.

Am Ende, in Rocko Schamonis „11. Gebot“, betritt dann der Schöpfer im Zottelkostüm mit einem echten Schaf an der Leine die Bühne und singt das Lied „Pardon“. Was soll man sagen? Um Gottes willen.

nächste Vorstellung: 26. Januar, 19.30 Uhr, weitere im Februar

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