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Kultur: Herz an Herz

Stilvoll verwittert: Silly musizieren in der Zitadelle.

Lange nicht so viele exakt aufgebügelte Karohemden und Poloshirts auf einer Zitadelle gesehen. Samstagabend treffen sich offensichtlich alle überdurchschnittlich gut erhaltenen Mittfünfziger aus Kaulsdorf und Rudow beim Silly-Konzert in Spandau. Respekt! Die 7500 Fans der wichtigsten Ostband der Achtziger lassen sich ebenso wenig gehen wie Gitarrist Uwe Hassbecker, Keyboarder Ritchie Barton und Bassist Jäcki Reznicek. Zusammen mit Frontfrau Anna Loos, die 2006 den Platz der früh verstorbenen Heroine Tamara Danz einnahm, bilden die stilvoll verwitternden Musiker eine ansehnliche Truppe. Ein Jammer, dass auf der schwarzen, nur mit LEDs und Spots farbig akzentuierten Bühne die Videoleinwand fehlt.

Dafür gibt es Metaphern satt. Die 1978 gegründete Band ist berühmt für ihren leckeren Metaphernsalat mit süffiger Poprocksoße. Verse wie „Meine Uhr ist eingeschlafen / ich hänge lose in der Zeit“, aus „Asyl im Paradies“, einer Tamara-DanzNummer von 1995, oder wie „Die Wolken wischen sanft den Staub vom Land / Die Zeit blüht grün den Hang hinauf ins Blaue“ aus der Ballade „Die Welt wird hell“ vom jüngsten, schon vergoldeten Album „Kopf an Kopf“ haben zwar ihren widerständigen DDR-Subtext verloren, machen aber immer noch was her. Und die mal glasklare, mal druckvoll nachdunkelnde Stimme von Anna Loos holt aus dieser von Texter Werner Karma beeinflussten Pop-Naturlyrik den maximalen Wallungswert heraus. Das hat schon auf dem Platin-Album „Alles Rot“ von 2010 funktioniert, mit dem Silly nach 14 albumlosen Jahren wiederkehrte.

Um ein paar alte Hits kommt die durch die üblichen Dauergastmusiker an Schlagzeug, Cello, Gitarre verstärkte Band natürlich nicht herum. Trotz der konsequenten, manchen Fan irritierenden Konzentration auf das neue, klangfarbenreiche, aber kein bisschen rockige Album. Erinnerungsseliges Mitsingen bei den Achtziger-Hymnen „Mont Klamott“ und „Bataillon d’Amour“ muss sein. Und die Nummern altern wie die mal nach Silbermond, mal nach Pur, aber immer nach Silly klingende Band: ohne ranzig zu werden. Und natürlich können die Paare auf der Zitadelle bei der Akustikversion von „Wo bist Du?“ oder später beim Singlehit „Deine Stärken“ gar nicht anders als in den Zweierwackel-Modus zu verfallen. Trotzdem: Irgend etwas fehlt. Erst sind es Dunkelheit und Konzentration, später ist es der Überschwang. Gunda Bartels

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