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Kultur: Hier kocht der Chef

Bernhard Schulz über die neue Heimat der Berliner Kultur

Allzu große Töne machen stutzig. „Kultur ist dann beim Regierungschef angesiedelt. Schwergewichtiger kann es nicht sein,“ verkündete Klaus Wowereit bei der gestrigen Vorstellung des neuen Senatsgefüges. Die Kultur soll in der Senatskanzlei angesiedelt werden – politisch verantwortlich ist dann der Regierende Bürgermeister höchstselbst.

Klingt gut – nur ist es leider vom Grundsatz her keine gute Idee, ein Fachressort in der Regierungszentrale mitzubetreuen. Entweder lässt der Regierungschef seine Kernaufgabe schleifen, um sich seinem Lieblingsgebiet zu widmen – oder, dies die Erfahrung aller bisherigen Angliederungen von Fachressorts an Staatskanzleien, das betreffende Fachgebiet wird zur Nebenaufgabe degradiert.

Wenn die Politik Kultur – wie auch Wissenschaft – als Zukunftsressource der Stadt ernst nimmt, muss sie dies im Senatsgefüge durch ein eigenes Amt mit voller Verantwortlichkeit ausweisen. Stattdessen landet die Kultur in der Senatskanzlei, als hübscher Zierrat beim Regierenden, der sich fortan die Gelegenheiten gewiss nicht entgehen lassen wird, um als Eröffnungsredner und Premierenfeierer in Erscheinung zu treten.

Bleibt nur eine einzige Rechtfertigung für diese Lösung: die personelle Konstellation. Mit André Schmitz leitet ein Kenner der Kulturszene die Senatskanzlei, der ohne weiteres ministrabel wäre. Nur will ihn Wowereit nicht aus der Organisation seiner Regierungstätigkeit entlassen. Kann Schmitz also beide Aufgaben schultern? Man darf es annehmen, liefen doch bislang schon wichtige Entscheidungen über seinen Schreibtisch, weil Wowereit mit dem scheidenden Kultursenator Flierl über Kreuz lag. Nur werden sich Schmitz und sein Chef künftig auch mit den weniger fundamentalen Dingen des Kulturbetriebs abgeben müssen, jenseits beispielsweise der Opernwelt, in der sich beide zu Hause fühlen. Das Land Berlin hat in den vergangen Jahren an den Bund abgegeben, was immer nur möglich war, um sich finanziell zu entlasten – und ist mit einem Mal nur noch Mitspieler in der eigenen Metropole, die ohne Bundesgelder kulturell verhungern müsste. Wenn die Ansiedlung beim Regierenden das Signal sein sollte, von der bisherigen Schlussverkaufsmentalität abzurücken und eine kraftvolle Landespolitik zu führen – umso besser.

„Schwergewichtig“ – dieses Wort gibt den Maßstab vor, an dem sich Wowereit wird messen lassen. Den Tönen müssen Taten folgen. Und zwar von Gewicht.

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