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Kultur: Hillary!: Christine Lemke-Matwey über eiserne und uneiserne Polit-Ladies

Angela zum Beispiel. Angela oder Das ganz normale Leben einer Politikerin.

Angela zum Beispiel. Angela oder Das ganz normale Leben einer Politikerin. In Sachen Leitkultur verkniffene Miene zum bösen Spiel; am 9. November raus zu den Aufständischen, in die herbstkalte, von Gutmenschen glühwürmchengleich erleuchtete Berliner Nacht. Tagsüber trägt Angela gern saftgrüne Jacketts. Sie bevorzugt den praktischen Topfschnitt und kriegt darunter immer traurigere, hängendere Hundeaugen. Im Kino würde es jetzt heißen: Sie wird immun gegen den Schmerz, etwas in ihr stirbt ab. Aber eben nur im Kino. Leider?

Apropos Hund: Ob Angela ein Haustier hat, wissen wir nicht. Über ihre sexuellen Praktiken ist ebensowenig bekannt wie, schnüffel, über etwaige Suchtprobleme und ob sie lieber Saumagen oder Sushi isst. Angela, die Frau, der Mensch, das unbekannte Wesen. Zumindest darin gleicht sie ihren Kolleginnen Rita, Herta, Andrea, und Heide aufs Haar. Doch halt, Heide aus dem hohen Norden, die sammelt Teekannen und hat einen Mann, der woanders wohnt. Na, also.

Stand up übrigens gehört zu den Lieblingsvokabeln jener Frau, der am vergangenen Dienstag der seltene Sprung aus der Popularität in die Politik gelang. Stand up: Aufstehen für oder gegen etwas. Sich rühren. Die Macht mit Händen greifen. Hillary Rodham Clinton auf dem Weg von der Starjuristin über die First Lady der USA zur New Yorker Senatorin - und weiter, möglicherweise, zur ersten Präsidentschaftskandidatin in der ruhmreichen Geschichte Amerikas. Eine Frau, die immer schon mehr wollte, als hinter den dicken Mauern des Weißen Hauses süße "Plätzchen" zu backen. Eine Person durchaus mit Charisma. Keine Lichtgestalt wie Lady Di, nein, aber auch keine Maggie Thatcher. Haare auf den Zähnen - ebenso wie, einem unbestätigten Gerücht aus Arkansas zu Folge, Haare an den Beinen.

Diese Zielstrebigkeit, diese lächelnde Unverfrorenheit nimmt ihr die amerikanische Öffentlichkeit seit jeher übel, aus den hintersten republikanischen Winkeln bis in die illustren Reihen der Ostküsten-Intelligentsia. Hillary (just unter diesem Label gewann sie ihren Wahlkampf, jede feministische correctness in den Wind pustend) gilt als "kalt, ehrgeizig und machtbesessen" oder - was zwar poetischer, weil irgendwie weiblicher klingt, aber auf dasselbe hinaus läuft - als "seelenlos, lesbisch und unzart". Man schimpft sie Evita Clinton, Lady Macbeth oder Sister Frigidaire. Die New York Times nannte sie eine "geborene Lügnerin" und ihre Haartracht frech einen "blonden Helm", die Herren vom Wall Street Journal brandmarkten sie gar als Kriegsgöttin, die "überall auf der Welt etwas findet, auf das man Bomben schmeißen kann."

Und überhaupt: Hillary Clintons politische Karriere, so tönt es an den Stammtischen dieser Welt, ist ein einziger Racheakt, eine Reaktion von langer Hand auf die leidige Lewinsky-Affäre - an der sie naturgemäß selber schuld sein dürfte. Woher aber dieser unverhohlene, militante Medien-Hass? Weil Hillary, die Frau, mit männlichen Bandagen kämpft, sich eine der letzten echten Männerbastionen erobert - und dabei nicht nur ihren Gatten "skrupellos" seinem ach so harten Rentnerdasein überantwortet, sondern auch noch perfekter ist, fleißiger und sozial intelligenter als alle ihre Gegner? Männer sind Politiker, könnte man an dieser Stelle resümieren. Frauen sind Politikerinnen, weil. Sex hin, gender her.

So weit, so abgelatscht. Wirklich interessant wird das Phänomen Hillary erst durch die Aggressivität, die ihr von ihrem "natürlichen" Wahlvolk, den Frauen, in den vergangenen Monaten entgegengebracht wurde. "Sie gibt nicht nur vor, New Yorkerin zu sein - sie gibt auch vor, eine Frau zu sein", durfte Katie Roiphe unlängst in der Süddeutschen Zeitung geifern. Das sitzt. Mit anderen Worten: Für das, was sie tut, hat Hillary das falsche Geschlecht; und für ihr Geschlecht tut sie ganz offensichtlich das Falsche.

In Zeiten freilich, in denen das Schlagwort von der "Feminisierung der Politik" die Runde macht, weil selbst der ordinäre männliche Politiker keine politische Macht mehr in Händen hält und sich über Cashmere-Schals und Luxus-Zigarren definieren muss, können sich die Damen Volksvertreterinnen getrost zurücklehnen: Das haben sie längst alles hinter sich. Camille Paglias gute alte Theorie von der Geschlechterdifferenz (Frauen wässern die Erde, Männer pinkeln einen Transzendenzbogen), sie stimmt und sie stimmt nicht. Her also mit dem nächsten Topfschnitt und nicht zimperlich - oder wie rief Hillary Rodham Clinton jüngst einer rettungslos verregneten Picknick-Gesellschaft ihrer Partei zu? "Ihr seid alle nass geworden, ich weiß. Aber da muss man durch, wenn man etwas erreichen will."

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