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Kultur: Himmelssturm

Mirko Weber sorgt sich um Münchens Postkartenansicht Die Feldherrenhalle „öffnet sich zum Odeonsplatz wie ein törichtes Loch“, steht bei Wolfgang Koeppen. 50 Jahre hat der Dichter in München gelebt, das große Dorf ist ihm dann geworden, was ihm die halbe (ganze) Stadt Berlin nicht mehr sein konnte: Herzensangelegenheit.

Mirko Weber sorgt sich um

Münchens Postkartenansicht

Die Feldherrenhalle „öffnet sich zum Odeonsplatz wie ein törichtes Loch“, steht bei Wolfgang Koeppen. 50 Jahre hat der Dichter in München gelebt, das große Dorf ist ihm dann geworden, was ihm die halbe (ganze) Stadt Berlin nicht mehr sein konnte: Herzensangelegenheit. „Berlin“, schreibt Koeppen auch, „schlug vielleicht endgültig der Krieg.“

Wer nun dem „törichten Loch“ den Rücken zudreht und vom Odeonsplatz aus die Ludwigstraße Richtung Maxvorstadt und Schwabing hinunter schaut,  wird einer besonderen städtebaulichen Leistung gewahr. Gleich über dem Siegestor, einst von Klenzes klassizistischer Hand sanft dahin dirigiert, wachsen zwei Finger aus Glas in den Himmel, die einem Doppelhochhaus am Mittleren Ring aufgesteckt worden sind. Von Ferne ragt der Bau entscheidende Zentimeter in eine Postkartenansicht hinein, an der nicht nur die Touristen, sondern vor allem die Münchner stets ihre ungetrübte Freude hatten. 

Die Finger der „Highlight Towers“ berühren auch eine kleine, alte  Münchner Diskussionswunde: Wie halten wir’s eigentlich mit den Hochhäusern? Christian Ude, der regierende Oberbürgermeister, übt sich in Pragmatismus. Die Stadt erlaube nicht viel, außerdem habe sie andere Sorgen, als potenzielle Investoren vom Geldausgeben abzuhalten. Die SPD-Stadtratsfraktion und viele Landtagsabgeordnete unterstützen diese Haltung. Udes Vorgänger, Georg Kronawitter, sieht das hingegen anders, weswegen er seit einigen Tagen an einem Klapptisch neben der Theatinerkirche  sitzt, um die Initiative „Unser München“ zu unterstützen. Sie will mindestens 27000 Unterschriften sammeln, um einen Bürgerentscheid gegen neue Hochhäuser zu erwirken: gegen Neubauten am Hirschgarten, in der Obersendlinger Siemenssiedlung und in Steinhausen. Keines dieser Projekte destabilisierte nachhaltig Münchens innerstädtisches Erscheinungsbild. Die Genehmigungsverfahren laufen; und sehr zahlreich scheinen die Gegner vorerst nicht zu sein.

Trotzdem: eine Stadt, die sich so gerne in ihrem schönem Schein sonnt, sollte wirklich einmal darüber nachdenken, was  sie architektonischen Archetypen wie den BMW-Türmen und dem Hypo-Hochhaus an die Seite stellen möchte – oder eben lieber nicht. Diese Debatte wird in München nicht gerade mit Enthusiasmus geführt, sieht man von jenen  Neckereien ab, mit denen sich tendenziell hurra-orientierte lokale Befürworter und immer leicht ojemine-gestimmte feuilletonistische Bedenkenträger bedenken. Solange man vom Alten Peter aus noch die Alpen sieht, wird es aber nicht so schlimm sein mit den himmelstrebenden Projekten, denkt sich der Rest – also die meisten. Das wirkt, zumal von der Hauptstadt aus betrachtet, alles sehr wenig zackig gedacht, um nicht zu sagen: aufs Wurstigste nivelliert. Aber, um noch einmal mit Koeppen zu sprechen: „Muss man München (darum) nicht lieben?“ 

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