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Kultur: Himmelwärts

Das einzige Deutschland-Konzert: Pearl Jam begeistern in der Berliner Wuhlheide

Die Fans von Pearl Jam gelten als besonders treu und enthusiastisch, was ihnen sogar schon Vergleiche mit der legendären Anhängerschaft der Grateful Dead eingebracht hat. Diesem Ruf wird die Menge beim einzigen Deutschland-Konzert der Band in der ausverkauften Wuhlheide auch gerecht: Mit La-Ola-Wellen, Sprechchören und Klatschsalven feiern sie ihre Helden, noch bevor die einen Fuß auf die Freilichtbühne gesetzt haben. Die Vorfreude geht beim ersten Ton nahtlos in eine ausgelassene Party über, die von einer Freundlichkeit getragen wird, wie man sie bei Rockkonzerten nur sehr selten erlebt.

So ein Publikum muss man sich erst mal verdienen. Und Pearl Jam haben es verdient. Mit ihren acht Studioalben, von denen die ersten drei großartig und alle weiteren auf hohem Niveau waren. Mit ihrem politischen Engagement, mit ihrem Eintreten gegen hohe Ticketpreise und mit ihrer liberalen Haltung gegenüber Bootlegs. Und nicht zuletzt mit ihrer Ausdauer. Denn Pearl Jam sind die letzte der großen Seattle-Bands, die zu Beginn der Neunziger der Rockmusik frisches Blut in die Adern jagten. Die Jungs um den Ex-Surfer Eddie Vedder waren mit ihrem Debüt „Ten“ die Erfolgreichsten im neuen Grunge-Genre, was ihnen von Nirvana-Frontman Kurt Cobain den nicht ganz fairen Vorwurf des Karrieristentums einbrachte.

Inzwischen haben sie weltweit über 60 Millionen Alben verkauft, sind alle älter als 40 und über jegliche Anwürfe erhaben. Eddie Vedder leuchtet in der Mitte der Bühne in einem weißen Hemd, das er offen über einem schwarzen T-Shirt trägt. Mit beiden Händen umklammert er wie zum Gebet das Mikrofon, die braunen Locken fallen ihm ins Gesicht, und er singt mit seiner unverkennbaren, leicht rauen Stimme. Sie ist immer noch das Zentrum, um das sich alles dreht.

Wut, Melancholie, Hoffnung – Vedder ist ein Meister der Gefühlsbeschwörung. Am eindrucksvollsten demonstriert er das mit dem vielleicht größten Song der Band: „Black“ erstrahlt in all seiner finsteren Schönheit, tränenziehend, kathartisch. Kaum weniger anrührend ist Vedders Ansage in abgelesenem Deutsch, die ein wenig an Johannes Paul II. beim österlichen Segen erinnert. Er spricht von seinem vor zwei Jahren verstorbenen Freund Johnny Ramone und widmet ihm „Come back“ vom aktuellen Album mit den Worten: „Den nächsten Song singe ich in den Himmel.“

Das Ramones-Stück „I believe in Miracles“ komplettiert die Hommage an den Punkrock-Pionier. Leider ist der Sound insgesamt ein bisschen zu verhalten, aber weil hier eh jeder jeden Ton kennt, tobt bei schnelleren Nummern sofort der ganze Innenraum. Fast zweieinhalb Stunden dauert das Set, in dem natürlich auch „Alive“ nicht fehlen darf – der erste Megahit der Band und offenbar ein gutes Omen. Die Fans singen die Refrainzeile „I’m still alive“ noch minutenlang ohne die Band weiter.

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