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Die Statue von Henry Moore vor der Akademie der Künste

© Tobias Kleinschmidt/dpa/lbn

Hingehen: Fritz Balthaus: Ein Schloss am Knie

Das Leben und die Kunst: Fritz Balthaus beglückt die Akademie der Künste mit Interventionen. Da landet auch mal ein Fahrradschloss an einer Statue von Henry Moore.

Was macht das Fahrrad an dem Moore? Das muss ein ganz besonders dreister Radler gewesen sein, der sein Vehikel an der berühmten Bronzeskulptur des britischen Bildhauers vor der Akademie der Künste befestigt hat. Ein strahlend blau ummanteltes Schloss schlingt sich um das Knie der Liegenden und fesselt damit die hehre Kunst und das profane Fortbewegungsmittel aneinander, eine Grenzverletzung erster Güte. Dahinter steckt mehr als ein banales Sicherheitsbedürfnis, sondern ein schlauer Kopf: der Berliner Künstler Fritz Balthaus, der die Akademie der Künste mit einer ganzen Reihe solcher Übergriffe beglückt (Hanseatenweg 10, bis 25.10., Di bis So 11 – 19 Uhr).

Seine Spezialität ist die anschauliche Analyse der Produktionsbedingungen von Kunst, ihrer Vertriebssysteme und Präsentationsformen. So ging er etwa furchtlos selbst in die Heimwerkerabteilung von Karstadt in Neukölln, um ein Video mit praktischen Anleitungen zum Bau einer Nonsense-Skulptur vorzuführen. Auch in der Akademie der Künste tritt er in einen geschlossenen Kosmos ein mit einem Regelsystem, einer Hausordnung, die eindeutig definiert, was erlaubt ist und was verboten. Klar, dass die Verbindung zwischen Henry Moore und dem Radel gar nicht geht. Fahrräder haben im vorgesehenen Ständer zu stehen, die Aura der Kunst ist zu respektieren. Balthaus lässt hier zwei schwerlich kompatible Sphären kollidieren, das Leben und die Kunst, von denen sich die Künstler der Moderne und deren Erben doch so sehnlich wünschten, dass sie miteinander zu vereinbaren wären. „More“ hat Balthaus seine Intervention am Moore genannt und signalisiert damit auch schon, dass seine gezielten Grenzverletzungen einen Mehrwert besitzen, ein Plus an Erkenntnis.

Was ist hier eigentlich Kunst?

Nur ein paar Schritte weiter folgt auch schon die nächste Irritation: zwei Streusand-Container, der eine drinnen, der andere draußen, die sich gegenseitig in der Glasfassade spiegeln. Das Pärchen mit den orangefarbenen Deckeln reizt die Fragestellung wieder weidlich aus: Was ist hier Kunst, was praktischer Nutzen? Auf’s Glatteis geführt, dürfte so mancher Betrachter die Formschönheit der Box bewundern. Ähnlich mag es ihm mit dem leeren, gerahmten Bild ergehen, das hinter einem Pfeiler steht. Mit blauen Klebestreifen versehen, die Kunsttransporteure zum Schutz von Glasflächen benutzen, sieht es auf den ersten Blick aus wie ein Werk von Bridget Riley, eine konstruktivistische Komposition. Der Verdacht keimt auf, dass hier jemand die Kunst desavouiert, zumindest zündelt.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Indem Fritz Balthaus die Grenzen ausreizt, weckt er Gegenkräfte. Von Zeit zu Zeit geht über die Lautsprecheranlage der Akademie der Künste eine flüsternde Durchsage: „Paul Maenz hat Peter Roehr erfunden.“ Natürlich ist auch dies eine Balthaus’sche Intervention, ihr Titel: „Das Gerücht“. Wer weiß, vielleicht ist wirklich etwas daran, dass der Frankfurter Galerist den Ende der Sechziger jung verstorbenen Minimal-Künstler erfand, zumindest hat er ihn „gemacht“. Egal, denn er hinterließ verdammt gute Kunst. Ein Beispiel lässt sich übrigens im Büro des Verwaltungsdirektors der Akademie bewundern, lauter VW-Käfer seriell in kleinen Bildchen zur Reihung addiert. Es stammt aus der Hand von Fritz Balthaus, diesem Fuchs, der damit auch schon in die nächste Runde geht: Original oder Fälschung? Verboten, erlaubt?

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