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Hipster-Werbung im Museum, Theater & Co: Wir! Verstehen! Euch! Nicht!

Unter Kulturinstitutionen gibt es einen neuen Trend: besonders hipstermäßige Werbung. Auf digitalen Plakatwänden, mit überdesignten Flyern oder Magazinen. Unser Autor fragt sich nur: Wer kapiert das?

Wie lässt sich neues Publikum für die Kunst gewinnen? Jüngst haben 1800 Museen eine gemeinsame Twitter-Aktion veranstaltet, bei der potenzielle Exhibition-User unter anderem dazu aufgefordert waren, Verbesserungsvorschläge einzureichen. Wir hätten da mal eine ganz altmodische Idee: Wie wäre es, liebe Ausstellungsmacher, mit Werbung, die nicht nur Eingeweihte verstehen?

Der Martin-Gropius-Bau beispielsweise hat gerade versucht, auf digitalen Plakatwänden an Berliner Hauptverkehrsadern seine aktuelle Ausstellung mit dem Slogan „Ich esse Zero! Ich schlafe Zero! Ich trinke Zero!“ bekannt zu machen. Weil die Schrift vor dem Hintergrund eines roten Kussmunds erscheint, dachten 99 Prozent der Betrachter vermutlich an die 100-prozentig zuckerfreie Variante eines koffeinhaltigen Erfrischungsgetränks – und nicht an die Avantgardekünstler um Otto Piene, denen die Werkschau eigentlich gewidmet ist. Zumal der Absender der Botschaft für vorbeifahrende Autofahrer kaum zu erkennen war. Der Werbewert solcher Plakate ist darum: 0. Nada. Niente. Ebene zero.

Auch das Münchner Nationaltheater gibt sich hipsterhaft

Natürlich ist die Verlockung für Kulturinstitutionen groß, auch mit ihrer Reklame Kunst machen zu wollen. Was aber nützen die typografisch zweifellos anspruchsvoll anmutenden Flyer des Cottbuser Museums Dieselkraftwerk, wenn auch der Gutwilligste nicht in der Lage ist, die expressionistische Schrift zu entziffern? Was bewirkt das rote Rechteck, das ohne Ausnahme auf jede Publikation der Berliner Festspiele gedruckt wird, außer ein genervtes Augenrollen bei potenziellen Besuchern?

Ausgerechnet das Münchner Nationaltheater, ein Hort bürgerlicher Repräsentationskultur, versucht sich mit einem prätentiösen, gnadenlos überdesignten Publikumsmagazin besonders hipsterhaft zu geben. Und wenn die Deutsche Oper Berlin auf die Titelseite ihrer Saisonvorschau das Foto einer Waffenmesse in Saudi-Arabien druckt, dann hört man den Intendanten förmlich barmen: Wir! Sind! Politisch! Relevant!

Beim neuen Gestaltungsfuror gerät der Adressat aus dem Blick

Wenn die Kulturleute der Gestaltungsfuror packt, gerät der Adressat schnell aus dem Blick. Damit aber werden die Anzeigen, Broschüren und Plakate letztlich zum optischen Äquivalent des gespreizten Kuratorensprechs. Wie angenehm informativ wendet sich dagegen die Neuköllner Oper an ihr Publikum, mit einem gerade noch einmal im Layout vereinfachten Leporello. Der Grund: Das Off-Musiktheater hat eben nur einen sehr schlanken Werbeetat: Size zero, sozusagen.

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