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Kultur: Hirten und Schafe

In ganz Europa kann’s passieren, dass plötzlich ein finsterbärtiger Mönch uns mit seinem mahnenden Blicke trifft. Falls das nicht in Italien ist, dann kleben wir auf der Autobahn zumindest hinter einem italienischen Laster – der uns unübersehbar zu einem lasterfreien Leben anhalten will.

In ganz Europa kann’s passieren, dass plötzlich ein finsterbärtiger Mönch uns mit seinem mahnenden Blicke trifft. Falls das nicht in Italien ist, dann kleben wir auf der Autobahn zumindest hinter einem italienischen Laster – der uns unübersehbar zu einem lasterfreien Leben anhalten will. Oder der mit seinem Pater-Pio-Plakat am LKW-Heck bezeugen möchte, dass seine dieselqualmende Spedition von Nudeln, Möbeln oder Espressomaschinen sich auch auf der Überholspur auf der rechten Bahn des Glaubens bewegt. Noch direkter trifft es (trifft ER) uns freilich in Pater Pios Heimatland. Weil einem in Italien, wenn nicht Berlusconis eiserne Lächelmaske, so doch der grimmige Pater an allen denkbaren Orten und Produkten begegnet, bis hin zur Klorolle mit Pios Segen. Dieser 1968 verstorbene Kapuzinermönch aus dem apulischen Käffchen San Giovanni Rotondo, vom Papst 2002 heilig gesprochen, weil er die Wundmale des Herrn getragen habe, er ist mit seinem Heiligenschein in allen irdischen Bereichen der Scheinheiligkeit schon eine Nervensäge. Und nun haben sie ihm in San Giovanni auch noch eine Wallfahrtskirche gebaut. Einen Hallendom für 7000 Menschen, für 35 Millionen Euro. Und der Baumeister heißt Renzo Piano – kaum zu glauben, diese architektonische Speer-Spitze. Die große Verschwendung aber haben nicht die hohen Hirten, sondern die ärmsten Schafe mit ihrem Scherflein bezahlt. Wie bei Ex-Kaiser Bokassas Petersdom-Kopie in Afrika. Dabei hatten die Kapuziner doch nichts als Demut und Genügsamkeit gepredigt. Pio, dio.

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