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HIT Parade: Alice Cooper

Diese Woche auf Platz 26 mit: „Along Came A Spider“

Es war 1969, im Jahr von Woodstock, die halbe Welt sang von Liebe und Frieden. In Phoenix/Arizona aber begann ein 21-jähriger Kunststudent, sich für seine Auftritte zu schminken wie ein Zombie. Er ließ sich auf der Bühne zum Schein foltern, später enthaupten. Der Sänger und seine Freunde waren Fans von Duchamps und Dalì. Bis dahin hatten sie Stücke der Beatles oder Stones nachgespielt. Nun kleideten sie sich wie bisexuelle Aliens und verkündeten: „Wir sind das Endprodukt einer Überflussgesellschaft.“

Anfangs nahm kaum jemand Notiz davon. Doch bei einem Konzert in Toronto verirrte sich aus ungeklärten Gründen ein Huhn auf die Bühne, der Sänger warf es ins Publikum, wo es unter ebenfalls ungeklärten Umständen zu Tode kam. Die Presse schäumte, behauptete gar, der Sänger habe dem Tier den Kopf abgebissen und sein Blut getrunken. Frank Zappa, der die Band damals produzierte, riet dem Sänger dringend, nicht zu widersprechen. Etwa seit dieser Zeit existiert der Begriff „Schock-Rock“. Und der Urmeter für dieses Genre trägt den Namen Alice Cooper. Kaum ein Entertainer beherrschte das Spiel mit der Medienklaviatur so souverän wie er. Alle, die nach ihm kamen und mit Kunstblut gurgelten, Ozzy Osbourne, Kiss, Marilyn Manson, verdanken ihm ihr Geschäftsmodell.

Coopers neues Werk, sein dreißigstes, erzählt die Geschichte eines Serienmörders, der sich für eine Spinne hält, und es klingt so simpel und bratrockmäßig runtergschrubbt wie eh und je. Es schreit „buh!“, aber niemand fürchtet sich. Solche Horrorshows schocken schon lange nicht mehr, es sei denn, man deutet den Begriff medizinisch: als akute Unterversorgung lebenswichtiger Organe, in diesem Fall besonders des Gehirns.

Mit 60 Jahren wirkt Cooper dennoch agiler als viele seiner Weggefährten. Seine Tage verbringt er am liebsten auf dem Golfplatz. Kürzlich demonstrierte er auch im deutschen Fernsehen, wie gut er einputtet. Außerdem hat Cooper sich als wiedergeborener Christ geoutet, der sonntags in die Kirche geht. Er stritt sich sogar mit Marilyn Manson darüber, ob es schicklich sei, auf der Bühne Bibeln zu zerreißen. No More Mr. Bad Guy! Aus dem Gottseibeiuns ist ein Kuschelmonster geworden. Vielleicht handelt es sich dabei aber auch um eine neue, besonders raffinierte Schockstrategie. Ralph Geisenhanslüke

Ralph Geisenhanslüke

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