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Hitler-Film "Der Untergang": Der Übersterbensgroße

Von Monstern und Menschen: Bernd Eichinger und sein Team stellen in Berlin ihren Hitler-Film „Der Untergang“ vor

Siehe da, auch Christoph Schlingensief ist unter die Journalisten gegangen. Und seine Frage nach der Pressevorführung des Filmes erweist sich, wiewohl womöglich subversiv gemeint, sogleich als Steilvorlage. In welches Genre „Der Untergang“ denn einzuordnen sei? „Es gibt kein Genre“, sagt Regisseur Oliver Hirschbiegel vorsichtig irritiert ins Halbdunkel des riesigen Kinosaals, „es gibt keinen Referenzfilm dafür, wir betreten Neuland.“

Nun, absolutes cineastisches Neuland ist mit Bernd Eichingers Produktion über Hitlers letzte Tage im Führerbunker nicht gewonnen – schließlich hat G.W. Pabst schon 1956 mit „Der letzte Akt“ einen Film zum Thema gedreht, und Alec Guinness und Anthony Hopkins versuchten sich, 1973 in „The Last Ten Days“und 1980 in „The Bunker“, in mittleren Produktionen mittleren Erfolgs am Ende des „Führers“. Wohl aber verzeichnete die Pressevorführung am Montag nachmittag im Cinestar am Potsdamer Platz Rekordbesuch, zumindest für einen deutschen Film. Ein Novum also – und dass danach das Team bei einer veritablen Pressekonferenz Rede und Antwort steht, als sei hier mindestens Berlinale, wohl auch.

Keine Frage, der Zweieinhalbstundenfilm, der Mitte September in die Kinos kommt, ist ein Ereignis – eines der sonderbaren Art. Am Wochenende mit einer Titelgeschichte im „Spiegel“ und großen Interviews in „FAS“ und „SZ“ bereits als unabweisbare deutsche Geschichtsstunde intoniert, hinterlässt er das Fachpublikum teils bedrückt, teils bedrängt, teils beeindruckt – aber auch spürbar ratlos. Spiegelt „Der Untergang“ das sich fühlbar wandelnde deutsche Geschichtsbild wider, das die Geschehnisse bald 60 Jahre nach Kriegsende mit wachsender Gelassenheit betrachtet? Ist die Auslöschung des „Dritten Reiches“ ein Stoff schon für einen Historienschinken in Hollywood-Dimensionen, den Eichinger mit seiner Constantin ausdrücklich selber realisieren will? Oder ist dies nach wie vor eher etwas für den geistig-moralischen Schulfunk? Wie notwendig ist „Der Untergang“ überhaupt?

Erster Befund: Der Film, mit 14 Millionen Euro Budget eine sehr teure deutsche Produktion, ist das Ergebnis einer sehr privaten Obsession. Bernd Eichinger, der selbat das Drehbuch schrieb, verrät zwar auch auf Nachfrage nicht das Ur-Motiv, das ihn „seit zwei Jahrzehnten“ zur filmischen Umsetzung dieses Themas drängt. Aber er ist zumindest unbescheiden genug zu behaupten, dass „ich der beste Autor dafür bin“. Und tatsächlich, das Drehbuch, das sich abgesehen von Eichingers knapp 250 Bände umfassender Nazithemen-Bibliothek im Wesentlichen auf Joachim Fests historische Nachstellung „Der Untergang“ und auf die Lebenszeugnisse der Hitler-Sekretärin Traudl Junge stützt, ist zumindest eine bündige Fleißarbeit. Mit dem Ehrgeiz, das Stimmengewirr der Zeitzeugen in Dialoge der im Bunker versammelten Protagonisten aufzulösen.

Die klugen Schauspieler, die Eichinger zu seiner gespenstisch übergroßen Herzensangelegenheit zusammenrief, haben sich ihrer Aufgabe umsichtig und professionell gestellt. „Durch monatelange Lektüre“ hat Bruno Ganz sich den Hitler erobert, ohne sich wiederum von ihm erobern zu lassen. Und auch Ulrich Matthes alias Joseph Goebbels hat sich – „Bruno und ich sind alte Schaubühnen-Schule“ – vor allem lesend in seine diabolisch verdüsterte Filmfigur versenkt. Corinna Harfouch, die als Magda Goebbels und Ausbund von Führertreue ihre sechs Kinder in den Tod schickt, „wollte untersuchen, wie Ideologien, Glaube, Sekten etwas so Natürliches wie das Mutter-Sein außer Kraft setzen können“. Und sie alle, ebenso Regisseur Hirschbiegel, werden nicht müde zu betonen, dass die Monstren Menschen waren. Und dass man sie folglich als Menschen spielen muss, ohne sich deshalb zu „ identifizieren“.

Eine Gratwanderung. Tatsächlich erweckt dieser Hitler, der so nett zum weiblichen Bunker-Personal ist und zugleich ein ganzes Volk verheizt (was zwischengeschnittene Endkampfszenen fortwährend in Erinnerung rufen), immer wieder Mitleid. Ein vereinsamter Brüllkopf, verraten von seinen Getreuen, der andererseits Haltung bewahrt bis zum Schluss: Ist der nicht ein Held, zwar nicht so sympathisch wie die paar positiven Nebenfiguren, dafür umso übersterbensgrößer? Wird man diesen deutschen Diktator in 200 Jahren nicht ebenso anerkennend betrachten wie Friedrich den Großen, dessen Gemälde im Bunker hinter Hitlers Schreibtisch hängt? Tut der Film womöglich das Seine dazu – indem er das unauslöschliche Signum der Hitlerzeit, den Mord an den Juden, nur als Parolenfanatismus des Diktators und im Abspann in zwei Zeilen benennt?

Die Debatte über das Tätervolk, das sich neuerdings am liebsten über sein eigenes Täterleid beugt, ist Eichinger sichtlich unangenehm. „Da will ich mich nicht eingliedern lassen“, sagt er, aber genau das wird er nicht verhindern können. Geschichte habe er eben „erzählen, nicht kommentieren“ wollen, punktum. Auch Regisseur Hirschbiegel, der das Material gekonnt und, so merkwürdig das klingt, unterhaltsam bewältigt hat, drängt es eher zu „Hintergrundbeleuchtung statt Vorverurteilung“, was auch immer er damit meinen mag. Und überhaupt, als hätte es noch eines Hinweises auf die Ernsthaftigkeit des Vorhabens bedurft, die Dreharbeiten hätten überwiegend in bedrückter, ja in „demütiger“ Atmosphäre stattgefunden.

Demut, seltsames Wort. Demut vor wem? Manchmal tönt’s vom Podium, als sei das Projekt eine Art Gottesdienst gewesen. Einer für das Volk – oder für die da unten im Bunker, die ihre Verblendung nicht erkannten? All das wird, wenn der Film erstmal im Kino ist, näher auszuforschen sein.

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