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Kultur: Hitparade: Diese Woche auf Platz 2

Fernsehen kann furchtbar sein. Das finden auch die Böhsen Onkelz.

Fernsehen kann furchtbar sein. Das finden auch die Böhsen Onkelz. So laden sie 150 Fernseher auf einen Lastwagen, fahren zu MTV nach München, laden alles wieder ab und brüllen. Sechzig Fans und Stephan, der Bassist. Sie brüllen nicht: "Türkenfotze unrasiert, Türkenpack, raus aus unserm Land", wie es die Band früher getan hätte. Sie brüllt stattdessen: Scheiss-MTV. Dann fährt ein Streifenwagen auf den Marienplatz und nimmt Stephan fest. Das kennt der schon. Die Polizei erscheint auch auf seinen Konzerten, um zu kontrolllieren, ob die Neonazis, die sich unter den Fans befinden, auch keinen Mist anstellen. Nachdem Stephan identifiziert ist, wird der Staatsschutz hinzugerufen. Und das alles nur, weil die Böhsen Onkelz von MTV boykottiert werden.

Zu Unrecht, findet Stephan. Die Böhsen Onkelz seien schon lange nicht mehr rechts, sagt er. Sie werben im Internet für Hilfsprojekte in Afghanistan und Peru. Feinde aber, die gebe es noch, und die werden mit Schlachtgetöse empfangen: "Ich und meine Brüder haben das Kriegsbeil ausgegraben / wir können es uns leisten, euch als Feinde zu haben / Ich scheiss auf MTV." Vielleicht spekuliert die Band auf diejenigen Hörer, die von Viva Plus die Nase voll haben. Und sie können es sich leisten: Binnen Tagen erklommen sie die Chart-Spitze.

In den Top Ten sehen die rüden Jungs aus dem Frankfurter Westend ziemlich komisch aus, neben all den schmusigen Pop-Elfen, den bunten und blumigen Erscheinungen: über ihnen nur Shakira, unter ihnen Ben und Xavier Naidoo. Aber was wissen die schon vom Fernsehen? Während Emigrantensohn Naidoo um jede Minute betteln musste, die er vor dem Fernseher verbringen durfte, wurden die Onkelz als Kinder vor die Glotze gesetzt, damit die Eltern ihre Ruhe hatten. Vielleicht sind sie deshalb so laut.

Sassan Niasseri

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