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Sir Simon Rattle, 61, dirigiert kontrolliert und intensiv.

© Stephan Rabold

Die Wiener Schule und Simon Rattle: Höchste Liebe

Die Wiener Schule war ein Meilenstein der Musikgeschichte. Ihren Beziehungsreichtum thematisiert Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern in einem faszinierenden Programm.

Alban Berg hat seine „Drei Orchesterstücke“ Opus 6 dem verehrten Lehrer Arnold Schönberg zum vierzigsten (!) Geburtstag gewidmet. Als Meilenstein in der Musikgeschichte erfährt die Wiener Schule, die mit Schönbergs Emigration und Bergs frühem Tod zerfiel, nach dem Zweiten Weltkrieg höchstes Ansehen. Wie jung die Mitglieder jenes Komponistenkreises damals waren, als eines ihrer Konzerte zu Schlägerei und Polizeieinsatz führte, wird über dem weiterweisenden Impuls der Werke später leicht vergessen. Auch dass diese musikalisch revolutionäre Jugend traditionell dachte. Das berühmte „Watschenkonzert“, dirigiert von Schönberg 1913, enthielt die „Sechs Stücke für Orchester“, die Anton Webern „meinem Lehrer und Freunde in höchster Liebe“ widmete.

Den großen Beziehungsreichtum der Musik, die Schönberg und seine Schüler Webern und Berg in jener Zeit komponierten, thematisiert Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern in einem faszinierend eigenartigen Programm. Nach den Symphonien der Romantik mit ihren endlosen Bögen, den Tondichtungen eines Strauss schreiben die Wiener „Stücke“, Orchesterstücke aus kleinstmöglichen Bausteinen. Rattle reiht die Kompositionen pausenlos aneinander. Schönberg, dem Anreger der Klangfarbe als Primärkathegorie in Opus 16, folgt Webern, der Komponist der Stille. Von ihm bezaubert ein Trauermarsch mit Glockengeläut, so inspiriert in seiner Aura, dass er als Höhepunkt des Konzerts gelten kann, Konzentration des Leisen bis zu einem gewaltsamen Aufschrei. Rattle dirigiert dieses Zentrum der „Sechs Stücke“ äußerst kontrolliert und intensiv.

Hinter allem steckt natürlich noch Gustav Mahler, bis der Große Hammer in Bergs Opus 6 ihn direkt zitiert. Diese dramatischere Musik suggeriert, dass das Orchester aus lauter Solisten besteht. So flimmert die Musik.

Johannes Brahms, laut Schönberg „der Fortschrittliche“, erklingt in seiner sogenannten Pastorale, der zweiten Symphonie, rau und herb, beinahe grimmig. Mit pauschalem Schwung, im Detail auch mit gestaltendem Willen, erreicht Rattle keine exemplarische Klassik, aber Überredung.

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