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Mia Wasikowska als Hobbyschriftstellerin Edith Cushing in "Crimson Peak".

© Universal

Horrorfilm „Crimson Peak“: Dem Blässling verfallen

„Crimson Peak“ ist Filmspuk von Guillermo del Toro mit Tom Hiddleston und Mia Wasikowska in den Hauptrollen. Leider ist der Film wenig überraschend.

Von Jörg Wunder

Können diese Augen lügen? Tom Hiddleston hat sich ja bereits in den Avengers- und Thor-Filmen mit seiner Verkörperung des nordischen Zwietrachtgottes Loki einen Namen als porzellangesichtiger Leinwandbösewicht gemacht. In Guillermo del Toros neuem Werk darf er seinen patentierten Welpenblick noch schamloser einsetzen. Wie er hier in einem im frühen 20. Jahrhundert angesiedelten Szenario als Sir Thomas Sharpe, ein verarmter, charmanter und zum Niederknien eleganter britischer Adliger, bittstellend und durchnässt bei dem amerikanischen Geschäftsmann Carter Cushing (Jim Beaver) auftaucht, das hat schon große Herzensbrecherklasse.

Und wer wollte es der jungen Hobbyschriftstellerin Edith Cushing (Mia Wasikowska) verdenken, dass sie dem blässlichen Schönling auf Anhieb verfällt, dem Misstrauen ihres Vaters und ihres alten Freundes Dr. McMichael (Charlie Hunnam) zum Trotz. Sicher, da ist noch Edwards Schwester Lucille (Jessica Chastain), eine brillante Klavierspielerin, deren dezent vernarbte Gesichtszüge zu einer Maske der Unnahbarkeit erstarren, als ihr Bruder die Schwägerin in spe vorstellt. Doch nachdem ihr Vater eines gewaltsamen Todes gestorben ist, lässt sich Edith überreden, ihren Gatten zum Familiensitz der Sharpes im düsteren Norden Englands zu begleiten.

Albtraumvilla nach Dracula-Vorbild

„Crimson Peak“ ist ein verblüffend altmodischer Spukhaus-Thriller, mit der im Verlauf der Handlung wenig überraschenden Volte, dass hier nicht die Geister der Verstorbenen, sondern vielmehr der Ungeist der Lebenden die maßgebliche Gefahr für die Heldin darstellt. Nicht umsonst spendet der kahle Hügel aus blutroter Tonerde mit dem darauf erbauten Landsitz den Titel des Films: Regisseur Guillermo del Toro („Hellboy“, „Pans Labyrinth“) hat seinen Ausstatter Thomas E. Sanders, der 1992 bei Francis Ford Coppolas atmosphärisch vergleichbarer „Dracula“-Verfilmung für das Production Design verantwortlich war, eine wunderbar monströse Albtraumvilla in schauriger Fantasie-Neogotik errichten lassen, die der Däne Dan Laustsen („Pakt der Wölfe“) mit schwelgerischen Kamerafahrten durchmisst.

Man glaubt schier zu riechen, wie der Schimmel hinter schweren Brokatvorhängen feuchte Wände hochkriecht, während durch das undichte Dach des schwer sanierungsbedürftigen Gemäuers die Schneeflocken rieseln. Doch so überzeugend del Toro darin ist, Tableaus von ikonischer Schönheit zu komponieren, so schludrig geht er mit den dramaturgischen Möglichkeiten des Horrorstoffs um. Auch wenn er nicht an Schockmomenten und ins ästhetische Gesamtkonzept eingebundenen Gewaltausbrüchen spart, bleibt „Crimson Peak“ vorhersehbar und seltsam statuarisch.

Vielleicht wäre ein Aufbrechen der Erzählperspektive nötig gewesen, die meist der in blütenweißer Unschuld herumirrenden Heldin vorbehalten bleibt: Gern hätte man mehr über die biografischen Abgründe ihrer angeheirateten Verwandtschaft erfahren, also alles, was über dürre Erklärdialoge hinausgeht. Vielleicht liegt in diesen narrativen Defiziten eine Ursache dafür, dass der geniale Bilderfinder Guillermo del Toro im Gegensatz zu seinen mexikanischen Landsleute Alfonso Cuarón („Gravity“) und Alejandro G. Iñárritu („Birdman“) noch nicht in das Pantheon der Oscar-prämierten Regisseure aufgestiegen ist.

In 17 Berliner Kinos, OV: Alhambra, Cinestar Sony-Center, Karli Neukölln

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