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Horrorfilm in Tschernobyl: Grusel, grusel, Super-GAU

Das kaputte Atomkraftwerk in der Ukraine dient in Brad Parkers „Chernobyl Diaries“ als Kulisse fürs Gänsehautkino.

Am Ende kommen die Touristen. Das ist bei jeder Katastrophe so. In Tschernobyl hat es 25 Jahre gedauert, bis die Reiseindustrie den radioaktiv verseuchten Ort als Ziel entdeckte. Erst kamen vereinzelte, illegale Gruppen von sogenannten Extremtouristen. Inzwischen sind spezielle Routen durch die Stadt Prypiat in der Nähe des havarierten Reaktors offiziell für den Fremdenverkehr geöffnet, und die Geisterstadt wurde sogar in das Tour-Programm zur Fußball-Europameisterschaft aufgenommen.

Ob Brad Parkers Horrorfilm „Chernobyl Diaries“ dem blühenden Super-GAUTourismus in der Ukraine schadet oder ihn dagegen beflügelt, lässt sich schwer prognostizieren. Der Film schickt eine Gruppe junger, abenteuerlustiger US-Touristen nach Prypiat, um sie dann nach allen Regeln der Genrekunst zu dezimieren. Eigentlich will der ukrainische Reiseführer Uri (Dimitri Diatchenko), der über soldatische Erfahrungen und einen beeindruckenden Muskelaufbau verfügt, den Trupp nur für wenige Stunden in die Sperrzone bringen. In Prypiat staunen die Besucher über den morbiden Charme des verlassenen Terrains, machen Erinnerungsfotos mit verrosteten Riesenrädern und dem geborstenen Reaktor im Hintergrund. Ein gewaltiger Bär, der durch die Plattenbausiedlung tobt, bringt den ersten Schockeffekt, dem zahllose weitere folgen, als das Automobil den Geist aufgibt, und die Nacht über die verseuchte Stadt hereinbricht.

„Chernobyl Diaries“ funktioniert ganz in der Tradition von „Blair Witch Project“: Handkameraaufnahmen dominieren, und der Schauder soll hier weniger durch direkte Gewaltexzesse als durch ein vermeintlich authentisches Setting entstehen. Allerdings erschöpft sich die Originalität des Films in der Wahl seines Handlungsortes, wobei sich über Geschmackssicherheit trefflich streiten lässt. Anfangs überwiegt noch die Hoffnung, dass die Filmemacher mit der symbolischen Location einen Subtext verknüpfen, der sich mit dem Negativmythos Tschernobyl produktiv auseinandersetzt. Bald aber driftet der Film in das Terrain des Routinehorrors ab, der allein davon lebt, dass sich die Protagonisten in idiotischer Manier in Gefahrensituationen bringen. Mutierte Hunderudel und radioaktive Zombies verrichten Dienst nach Vorschrift – und geben den verblüffend langen 86 Filmminuten den Rest.

In neun Berliner Kinos

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