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172 Aussteller aus 58 Ländern, Kunden von überallher:

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Hype, Hype, Hurra!: Der European Film Market könnte Wachstumsgrenze erreichen

Der European Film Market auf der Berlinale wird jedes Jahr größer und will Trends setzen. Doch die Expansion stößt an Grenzen.

Dem Markt geht es glänzend, er ist gesund, er wächst. „Wir verzeichnen verglichen mit 2012 wieder eine steigende Tendenz“, verkündet Beki Probst, die Grand Old Lady des European Film Market der Berlinale: „Mehr Aussteller, mehr Screenings, mehr Beteiligung.“ Eine gute Nachricht. Und jedes Jahr die gleiche. Die Geschichte des EFM ist eine ungetrübte Chronik des Erfolges, und das muss auch sein, findet Probst. „Die Filmindustrie ist wie ein Motor, den man nicht zum Stillstand bringen darf.“ Die Market-Leiterin sitzt in ihrem Büro im Martin-Gropius-Bau, es stehen Pralinen in einer Holzschachtel auf dem Tisch. „Kino ist Kultur“, sagt sie. „Aber Kino ist auch Kommerz.“

Die nackten Zahlen dieses Jahres: 172 Stände, 455 Companys aus 58 Ländern. 1690 Käufer aus 61 Ländern, denen 816 Filme in 1164 Screenings angeboten wurden. Ob die Bären-Konkurrenz ein paar Häuser weiter spannend oder todlangweilig verläuft, ist dem Markt weitgehend egal. Er boomt unbeeindruckt vor sich hin. Heizt sich auf mit Geheimtipps.

Hype, Hype, Hurra. Verstärkt drängen die neuen Global Player auf den Markt. China, klar. Auch Russland sei immer stärker vertreten, sagen Branchenkenner. Dazu berichtet Probst von Abgesandten aus Mauritius und Luxemburg, die ihre Heimat als Filmlocation auf dem EFM anpriesen. Aber was sagen all diese Erfolgsmeldungen über den Zustand der Branche, die sich an ihnen hochhält?

„Tatsache ist, es werden immer mehr Filme produziert“, stellt Martin Blaney fest. „Die Frage ist natürlich, ob sie auch ins Kino gelangen.“ Blaney ist langjähriger Korrespondent des Branchenblattes „Screen“, neben „Hollywood Reporter“ und „Variety“ die Bibel der Käufer und Verkäufer. Wer im Kampf um Aufmerksamkeit bestehen will, schaltet hier die Anzeigen für seine Screenings. Der EFM, erzählt Blaney, habe ganz klar von der Verschiebung des American Film Market in Santa Monica von Ende Februar auf Anfang November vor einigen Jahren profitiert. Jetzt ist die Berlinale die erste und bis Cannes einzige relevante Messe im Jahr. Jetzt kommen auch die US-Majors, die zwar nicht wie an der Côte d’Azur gigantische Zelte errichten, aber in den Suiten der Hotels ihre Geschäfte tätigen.

Die Weltmesse der Filmbranche in Berlin gilt als Erfolgsgeschichte. Foto: dpa
Die Weltmesse der Filmbranche in Berlin gilt als Erfolgsgeschichte. Foto: dpa

© dapd

Die Deals – dieses obskure Objekt der Begierde. Undurchschaubar, von Mythen umrankt. „Während eines Festivals wird mehr verhandelt als verkauft“, erzählt Dorothee Stoewahse, Pressesprecherin des deutschen Weltvertriebs Betafilm. „Die Abschlüsse erfolgen später.“ Die Sales-Meldungen, die während eines Filmmarktes herausgegeben würden, bezögen sich meist auf Abschlüsse aus der Zeit davor. Betafilm hat unter anderem den rumänischen Wettbewerbsbeitrag „Child’s Pose“ im Portfolio, außerdem heimische Produktionen wie „Oh Boy“, international wahnsinnig gefragt, berichtet Stoewahse. In wie viele Länder verkauft? Sie lächelt. Und klärt auf, dass die bloße Ziffer wenig Aussagewert über den Marketingeffekt hinaus habe. Relevant fürs erwartbare Einspielergebnis sei, so Stoewahse, ob es sich dabei um Frankreich, Italien und den skandinavischen Raum handele. Oder um die 27 Länder der Region Französisch-Afrika.

Bei vielversprechenden Projekten jedenfalls gelte es, erzählt die Betafilm-Frau, so früh wie möglich einzusteigen, um sich die Rechte für den Weltvertrieb zu sichern. Möglichst natürlich in der Pre-Production-Phase, während der Drehbuchentwicklung.

„Dieses Business ist nicht mehr, was es mal war“, sagt Michelangelo Masangkay, Marketingchef des kanadischen Weltvertriebs Cinemavault. Hinter ihm, an Stand 136 im Martin-Gropius-Bau, hängen zwei Plakate. Auf dem einen reißt ein gigantisches Reptil das Maul auf, „Chomp 3D“ steht darunter. Auf dem anderen trägt Christian Slater einen Astronauten-Anzug, „Stranded“ heißt der Film. Früher, erzählt Masangkay, seien sie mit zehn bis fünfzehn Titeln zum EFM gereist. Alles fertige Filme. Aber seit sich so viele Geschäfte auf den DVD-Markt verlagert hätten, ginge der Trend eher zum sogenannten Pre-Selling von Projekten. „Das verschafft einem mehr Kontrolle über das Produkt, das am Ende herauskommt“, sagt er. „Chomp“ ist so ein Fall, noch in der Entwicklungsphase. Zu „Stranded“ dagegen gibt es bereits einen Trailer.

Die Käufer haben wenig Zeit auf einem Filmmarkt. Ihre Tage sind im Halb- oder Viertelstunden-Rhythmus getaktet. In Vorführungen der Filme schauen sie meist für höchstens zehn Minuten rein und entscheiden: Ein zweiter Blick lohnt, oder: uninteressant. Die Branche ist im Umbruch. Bereits zum Jahresende werde von vielen der Tod der 35-mm-Kopie prophezeit, berichtet Martin Blaney. „Digital distribution“ ist das Zauberwort; das meint die digitale Projektion in den Kinos, betrifft aber auch die Bereitstellung von Filmen als „video on demand“ im Netz. „Aber das spielt auf dem Filmmarkt kaum eine Rolle“, sagt Masangkay, „hier geht es um die neuen Titel.“ Und, boomt der Markt? Seine Geschäfte gingen gut, sagt er. Und klar nehme die Anzahl der Aussteller zu, aber darunter seien auch viele kleine und kleinste Firmen. Zahlen allein sind nicht viel wert. Ist irgendwann ein Ende des Wachstums zu erwarten? EFM-Leiterin Beki Probst lacht. Sie weiß es nicht.

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