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Kultur: Ich bin mein eigener Witz

Kurt Krömer bringt den diskreten Charme Neuköllns auf die Comedy-Bühne

An der „Hasenschänke“ ist die Welt noch in Ordnung. Eine Bockwurst mit Brot, das verkündet die Preistafel, kostet 1,20 Euro, der Kaffee 1,10, das „Schulli“ – eine kleine Flasche Schultheiss-Bier – 1,30 Euro. Die Hasenschänke, ein überdachter Pavillon aus den Fünfzigerjahren, der wegen seiner Nierentischform gerne auch „Hasenkeule“ genannt wird, liegt inmitten des Volksparks Hasenheide, genau auf der Grenze zwischen Neukölln und Kreuzberg. Auf der gut gefüllten Freifläche vor der Schänke sitzen biertrinkende „Bild“-Leser und biertrinkende Langzeitstudenten an Plastiktischen. Neuköllner Mischung. Ein Frühlingsidyll.

Alexander Wojzan ist der einzige Gast, der sich einen Platz im Schatten gesucht hat. Auf seinem Tischchen steht ein Kaffee und eine große Cola. Eine doppelte Koffeindosis zum Wachwerden. Gestern hatte sein neues Programm Premiere, es wurde spät. Wojzan? Seinen Namen kennt kaum jemand, aber unter dem Pseudonym Kurt Krömer ist der 28-Jährige, der Second-Hand-Klamotten von „Humana“ und eine mit Tesa reparierte Hornbrille trägt, ein Comedy-Star. Seine Geschichten, die er auf wechselnden Kleinkunstbühnen, bei Radio 1 und demnächst auch im RBB-Fernsehprogramm erzählt, handeln vom „Schlüpperkauf“ bei Karstadt am Hermannplatz, von Robert de Niro, der im „Sonneneck“ ein Herrengedeck ordert oder von Außerirdischen, die in Krömers Hinterhof landen, „mitten in meinen Erdbeeren“.

„Kurt Krömer ist so ähnlich wie ich, nur überspitzter“, sagt Wojzan. „Um komisch zu sein, muss man sich seine eigenen Macken angucken und daraus einen Witz machen.“ Ein Arzt diagnostizierte bei ihm einen asymmetrischen Körperbau. Die linke Schulter sei ein paar Zentimeter höher als die rechte. Deshalb läuft Krömer mit extra albern hochgezogener Schulter über die Bühne, ein bisschen so wie John Cleese in der Monty-Pythons-Nummer über das „Ministerium für seltsame Gangarten“. „Du drehst mehr anne Knöppe, wenn du weest, du bist dran“, sagt Wojzan, der im Interview genauso hemmungslos berlinert wie sein Alter Ego bei seinen Auftritten. Wojzan kann sich sekundenschnell in Krömer verwandeln, er muss bloß seine Stimme verstellen, bis sie ähnlich schrill klingt wie der frühe Otto Waalkes.

Wojzan/Krömer ist bekennender Minimalist. Er spielt so wenig wie möglich. Was er auf der Bühne zeigt, soll echt sein. „Authentisch“ gehört zu seinen Lieblingswörtern. „Ich sehe mich als Clown, nicht als Charakterkomiker, der von einer Rolle in die andere springt. Ich könnte höchstens Kurt Krömer spielen, der versucht, einen Anderen zu spielen.“ Krömers Credo: „Ich erzähle keine Witze. Ich bin der Witz.“ Den Namen Krömer hat sich Wojzan übrigens von seinem Deutschlehrer ausgeliehen, einem „freundlichen, etwas zerstreuten Herrn, der manchmal aus Versehen mit zwei verschiedenen Sportschuhen in die Schule kam“. Unter Wojzans Aufsätze schrieb der Lehrer: „Thema total verfehlt, aber dafür hast du eine blühende Fantasie bewiesen. Weiter so, Alexander!“

Wojzan wurde in Neukölln geboren, aufgewachsen ist er aber im Wedding. Ein paar Jahre verbrachte die Familie in der Lüneburger Heide. „Das Dorf, in dem wir wohnten, war ziemlich konservativ. Wir galten als Außenseiter, weil mein Vater lange Haare hatte und Sticker von der Alternativen Liste trug. Wir sind dann schnell zurück nach Berlin.“ Eine kaufmännische Lehre bei einem Herrenausstatter brach er ab, schließlich wusste er seit seinem 12. Lebensjahr, was er werden wollte: Komiker. „Ich dachte, ich muss erst einmal eine Schauspielschule besuchen und suche mir später einfach immer nur komische Rollen aus. War natürlich eine total naive Vorstellung.“

Bis auf eine Schauspielschule hat es Wojzan nicht geschafft, stattdessen fand er in der „zitty“ eine Kleinanzeige, in der eine Regisseurin Darsteller für ein Anti-Neonazi-Jugendtheaterstück suchte. Er trat als Skinhead auf, „immer wenn ich auf die Bühne kam, fingen die Leute an zu lachen“. Aus einem Workshop flog er raus, weil er auf die Frage des Leiters, warum er denn Schauspieler werden wolle, antwortete: „Weil ich das machen will, was mir Spaß macht.“ Der Workshop-Leiter verstand keinen Spaß, Theater ist doch Kunst. Wojzan/Krömer rächt sich, indem er die Szene bis heute in seinen Programmen nachspielt.

Den Durchbruch schaffte der „Skurrilkabarettist“ (taz) erst, nachdem er vor vier Jahren nach Neukölln zog. Vorher war er lange auf Klein- und Kleinstbühnen aufgetreten, manchmal auch vor drei zahlenden Zuschauern. Seinen Lebensunterhalt musste er sich mit Jobs als Tellerwäscher, Hasen-Betreuer im Zoo oder auf dem Bau verdienen. In Neukölln fand er nicht nur eine billige Zweizimmerwohnung, sondern auch sein Thema. „Anfangs musste ich mich ständig dafür rechtfertigen, aus Mitte nach Neukölln gezogen zu sein. Das weckte ein Widerstandspotenzial in mir. Dabei ist Neukölln wirklich wunderbar. Die Leute hier sind Lebenskünstler, die sich nicht ständig über alles ’nen Kopp machen müssen.“ Wojzan/Krömer hat zwei Idole: Louis de Funès und Klaus Kinski. De Funès schätzt er als Slapstickartisten, schon als Kind hat er dessen Filme mit seinem Vater nachgespielt. Und Kinski verehrt er als „authentischsten Schauspieler, den man sich vorstellen kann. Er hat sich nie verstellt.“

Kurt Krömer tritt mit seinem neuen Programm „The Return of the Mighty Kackbratze“ bis zum 24. Mai im Mehringhoftheater auf, Di-Sa 20.30 Uhr.

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