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Kultur: Ideen, die das Land nicht braucht

„Weltverbesserungs- maßnahmen“ im Kino

Es ist Wahlkampfzeit. Die Schröderdämmerung breitet sich über das Land. Am Horizont ziehen die Abwahlgeier krächzend ihre Bahnen. Die Regierung steht am Abgrund. Aber wo stehen die anderen? Unser in Europa weltbekanntes Land gilt als kranker Mann und muss wieder fit gemacht werden für die Zukunft, floskelt man. Nur wie? In die bleierne Stille der Nachdenkzeit platzen die beiden Regisseure Jörn Hinzer und Jakob Hüfner mit Ideen, die so ingeniös sind, dass sie das Land mit Sicherheit keinen einzigen Schritt voranbringen werden. Um genau zu sein: Was uns die beiden hier auf heiter-anarchische Weise als „Weltverbesserungsmaßnahmen“ andrehen, wäre in der Lage, Deutschland auf dem Niveau von Karlvalentinien oder Schildbürgistan enden zu lassen.

Mit Pseudoexperten-Interviews, Reportageaufnahmen von Seminaren, die nie stattgefunden haben, und Gesprächen mit Betroffenen, die es nicht gibt, gaukeln sie uns auf scheindokumentarische Weise vor, die Lösung für alles gefunden zu haben. Nehmen wir die Flaute im Konsum. Die Konjunkturprobleme werden durch eine Währung behoben, die zu verfallen droht und deshalb zum Geldausgeben animiert. Die Energiekrise wird mit der Entdeckung der Langsamkeit gelöst. Wer sich im Zeitlupentempo durchs Leben schlägt, kann mit der gesparten Wattzahl seinen Fernseher betreiben. Ein Parkanweiser versucht am Alexanderplatz, die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts voranzutreiben, indem er Autofahrer nach Farben geordnet parken lässt. Und in dem besten dieser acht unterschiedlich gelungenen Collage-Stücke wird der Krankenversicherung zu Leibe gerückt. Die Versicherungsnehmer senken die Kosten, weil sie selbst medizinische Tätigkeiten ausführen.

Diese acht Deutschlandverbesserungsmaßnahmen sind Ideen, die das Land nicht braucht. Thomas Bernhards misanthropischer „Weltverbesserer“ hätte geflucht über diesen Unsinn. Amüsant anzusehen ist er trotzdem.

In Berlin in sieben Kinos

Julian Hanich

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