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Der irische Künstler Willie Doherty zeigt ein Video über Moore in Irland, in denen auch Mordopfer verschwunden sind.

© Salzburger Kunstverein

Salzburger Kunstverein: Im Rücken

Es geht um unsichtbare Gewalt, bürokratische Übergriffe und Undercover-Agenten: Im Salzburger Kunstverein machen 20 Künstler die subtilen Zwänge sichtbar

Nach Salzburg fährt man aktuell wegen der Antikmesse in der Residenz – und reist mit der Erkenntnis zurück, dass sich Überraschendes gern dort verbirgt, wo man es nicht vermutet. Etwa im Salzburger Kunstverein (Hellbrunner Straße 3, bis 10. April), der letzten Station einer faszinierenden Ausstellung mit dem Titel „Invisible Violence“. Gewalt, schon klar, gibt es gerade genug, und das meiste davon ist laut, grausam und unzeigbar. Vor diesem Hintergrund verlieren kleinere Übergriffe, wie sie allein das Personenleitsystem am Eingang zur Ausstellung symbolisiert, ihre Relevanz. Dabei zwingt einen das Gewirr aus Absperrungen aller Logik zum Trotz zu Umwegen. Doch wer will schon mit Eva Grubinger und ihrer Arbeit „Crowd“ über scheinbare Petitessen klagen, wenn gerade ungleich tödlichere Dinge auf der Agenda stehen?
Die 20 beteiligten Künstler, darunter Kader Attia, Haroun Farocki oder Andreas Siekmann, arbeiten gegen diese Verdrängung. Sie sind Meister im Aufdecken subtiler Strukturen. Von Signalen der Macht, die ebenso gezielt wirken wie abstumpfen können. Gewalt etwa in Form bürokratischer Übergriffe, wie sie der Künstler Adrian Paci in seinem bizarren Video „Believe Me, I’M an Artist“ verarbeitet: eine Befragung durch die italienische Polizei, der seine Aktion für die Biennale von Venedig im Jahr 2000 suspekt war. Ob er seinen Töchtern die albanischen Stempel auf die Schultern tätowiert habe, wird er gefragt. Natürlich nicht, antwortet der Künstler. Es seien Zeichnungen als Zeichen dafür, dass man seine Identität ein Leben lang mit sich trage. Der Beamte akzeptiert das nicht.

Ahnlich sieht es der spanische Medienkünstler und Aktivist Daniel Garcia Andújar mit einem ganz konträren Thema. Er lehnt die Provokationen verdeckter Ermittler ab, die sich unter Demonstranten mischen und schafft eine Arbeit, bei der man nicht mehr weiß, wer hier auf wessen Seite ist. Maria Ruido dokumentiert in ihrem Video „The Dream Is Over“ die Biografien von Bootsflüchtlingen, während der Ire Declan Clarke in einem langen und dennoch kurzweiligen Film die Zusammenhänge zwischen Industrie und Landwirtschaft, Waffen- und Sprengstofffabriken im tschechischen Brno und der IRA-Hochburg South Armagh erläutert. „Ancient Ground“ heißt schließlich der kurze Film von Willie Doherty in einem undurchdringlich schwarzen Raum. Ruhige Bilder zeigen eine Moorlandschaft, die sukzessive freigibt, was Menschen dort abgeladen haben. Doherty zeigt es nicht, doch das gilt auch für die zahllosen Opfer des Irlandkonflikts, die wieder an die Oberfläche kommen. Manchmal Jahrzehnte später. Doch man begreift auch so, dass nur der verstehen kann, was gerade geschieht, wer die Anfänge kennt.

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