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Kultur: Im Schatten der Dämmerung

Sausende Züge, solide Karossen: Wolfgang Kessler und Franziskus Wendels in der Galerie Eva Poll

Die Doppelschau von Franziskus Wendels und Wolfgang Kessler ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Beide Maler beziehen sich auf Fotografie, und beide bieten ein Problem. Während Wendels seit 1996 regelmäßig bei Eva Poll ausstellt, dem Werk eine Richtung gab und es seitdem Jahr um Jahr verdichtet, scheint Kessler im Aufbruch seinen Ausgangspunkt vergessen zu haben. Der 1962 geborene Künstler hatte vor zwei Jahren das erste Solo in der Galerie. Er zeigte Züge, Lastwagen, Zäune und Fabrikhallen, als wären sie mit gedehnten Belichtungszeiten fotografiert worden. Diese technische Beziehung zur Wirklichkeit beherrscht auch Kesslers jüngste Schau. Die dargestellten Bewegungen bieten einen malerischen Reiz, denn der anvisierte Gegenstand löst sich in eine verwischte Linearbewegung auf und erscheint als Pinselstrich, der durchs Bild fährt. Man erkennt noch den vorbeisausenden Lastzug, sieht aber, wie es die Kamera sah und wie es der Maler durch eine glückliche Analogie in die Hand genommen hat. So weit, so medienreflexiv. Leider hat er jetzt die Methode in eine Sackgasse gefahren. Er dekoriert die Geschwindigkeitssuggestionen mit Neo-Geo- Rallye-Streifen. Manchmal erreicht er so flackernde Perspektiven, doch in der Sache nichts (2050 bis 4600 Euro).

Dagegen sieht das Werk von Wendels wie eine solide Karosse aus. Noch 1996 malte er in pastosen Strichen nächtliche Stadtansichten und ließ die Farben glühen. Jetzt widmet er sich lasierten Interieurs mit Lampen und durchleuchteten Villen im Dämmerlicht. Es ist eine große Stille in diesen Bildern, eine Ruhe, die in Fotografien selten eingefangen wird – obschon auch Wendels die Registratur der Kamera zum Vorbild nimmt, Ferne und Nähe mit Zoom-Blick favorisiert und auf diese Weise Detail und Totale kontrastiv zusammenbringt. Er bevorzugt bei seinen Motiven Bauhaus-Design: alt, aber nicht veraltet. Klare Geometrien ordnen das Bild. Monochrome Lasuren lösen die Konturen wieder auf. Bisweilen lässt sich kaum ergründen, ob man die Abbildung eines Gegenstands oder dessen dunkle Zeichnung im Licht sieht. Darin liegt eine philosophische Dimension. Sie wird beiläufig eingespielt, ohne einschüchternd zu wirken. Die Bilder erscheinen als eine Welt der Schatten in der Dämmerung, deren Wirklichkeit wie luftige Erscheinungen nicht zu greifen ist. Und da Wendels alle Elemente in visuelle Korrespondenz mit grundlegenden Bildfragen bringt, sieht es bei manchen so aus, als würden sie über sich selbst nachdenken und es akzeptieren, dass sie so sind, wie sie sind: einfach, klar und suggestiv (1600 bis 5950 Euro). So trennen beide Maler Welten.

Galerie Eva Poll, Lützowplatz 7; bis 30. August, Montag 10–13 Uhr, Dienstag bis Freitag 11–18 Uhr, Sonnabend 11–15 Uhr.

Peter Herbstreuth

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