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Kultur: Imponiergehabe

Die Reihe „Cello Case“ eröffnet im Radialsystem

Astor Piazzolla garantiert eindrucksvolle Wirkungen, das Ruchvolle des Tangos muss nur schön aufgehübscht werden. Ein schneller Lauf, ein imponierendes Glissando auf den Tasten – schon tobt das Publikum. Eckart Runge, Celloprofessor an der UdK und Gründer des Artemis Quartetts, weiß genau, wie’s geht. Seine neue Konzertreihe im Radialsystem (wieder am 1.12.) trägt den Titel „Cello Case“ und meint damit den Transportkasten als Wundertüte, die man nur öffnen muss, und schon hopst der Hase heraus.

Leider funktioniert die Dramaturgie überhaupt nicht. Runge, sein Klavierpartner Jacques Ammon und der Klezmer-Klarinettist David Orlowsky spielen sich mit dem Königswerk der Klarinettentrios warm. Aber ihr Brahms klingt wie aus der Mikrowelle – oberflächlich, äußerlich, langweilig. Bedeutungsschwangere Blicke oder geschlossene Augen, die Versunkenheit vorgaukeln – das allein ergibt noch kein Zusammenspiel. Das berühmte Stück dient nur als Sprungbrett für die angeblich „leichte Muse“ nach der Pause, mit deren Hilfe Runge dem Publikum den Zugang zur Klassik erleichtern will.

Dabei ist Piazzolla gerade in seinen „Jahreszeiten“ alles andere als seicht, er verlangt Innigkeit, schroffe Gegensätze, Einsamkeit. Perwollgewaschene Intonation verbietet sich ebenso wie allzu freizügige Agogik – schon wegen der erforderlichen Tanzbarkeit. Bei Runge und seinen „Friends“ bleibt indes alles Effekt, vordergründiges Imponiergehabe, wenn auch mit dem gewünschten Erfolg: das Publikum geht begeistert mit. Professor Eckart Runge, so ruft ein Besucher in den Saal, hat neue Freunde gefunden. Wenn das nichts ist. Christian Schmidt

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