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IN Between (4): Zwischen den Nummern

Zwischen den Jahren: So heißt die Zeit von Weihnachten bis Silvester. Eine gute Gelegenheit, sich über die Interimitäten des Lebens Gedanken zu machen.

Zwischen den Jahren: So heißt die Zeit von Weihnachten bis Silvester. Eine gute Gelegenheit, sich über die Interimitäten des Lebens Gedanken zu machen.

Das Arbeitsgerät der Akrobaten wird abmontiert und aus der Manege geräumt, der Löwenkäfig wird aufgebaut. Jetzt ist der Moment des Clowns gekommen, der die Umbaupause überbrücken und das gefährlichste aller Raubtiere, das Publikum, zu unterhalten hat. Ob der Pausenclown wirklich auf diese Weise in die Welt kam – wer weiß. Aber versuchen wir’s mal. Während also im Hintergrund an dieser Glosse noch gebastelt und gegoogelt wird, schon mal ein paar Kostproben, entre nous. Da hätten wir das Entrecôte, das die französischen Fleischer aus den Zwischenrippenstücken schneiden, während der Brite sich aus der gleichen Rindergegend ein Rib-Eye-Steak schnitzt. Phonetisch würde sich dazu ein Entre deux mers empfehlen, aber Weißwein zu rotem Fleisch ist nicht jedermanns Sache, auch wenn er aus dem Bordelais kommt. Eine ziemlich komplizierte Chose, denn die beiden Meere, zwischen denen dieser Wein angebaut wird, sind in Wahrheit zwei Flüsse, Garonne und Dordogne, mit dem Gleichklang von Meer und Mutter hat schon Charles Trenet charmiert in seiner Hymne „La Mer“. Es ist wahrscheinlich nicht so angenehm zwischen zwei Müttern, dann lieber einen Between the Sheets, gemixt mit Brandy oder Cognac, weißem Rum, Zitronensaft und einem Schuss Cointreau ...

Was macht eigentlich unsere Zwischenglosse? Lässt auf sich warten? Wir schauen inzwischen mal ins Jahr 1924, nach Paris. Damals drehte René Clair für ein Ballett von Francis Picabia ein Zwischenspiel mit dem schlichten Titel „Entr’acte“. Clair, ein wahrer Filmpionier, arbeitete mit allerlei Überblendungen und Special Effects, die seinerzeit noch gar nicht richtig erfunden waren. Zu erkennen ist auf dem Schwarz-Weiß-Filmmaterial eine Künstlertruppe, die einem Leichenwagen folgt, der von einem Kamel gezogen wird. Der Wagen mit dem Sarg reißt sich los, und nun sehen wir eine Viertelstunde lang, wie die Trauergesellschaft dem Sarg auf abschüssigen Straßen hinterherrennt. Endlich kippt die Kiste vom Wagen, der Deckel öffnet sich, und heraus steigt triumphierend ein Mann mit Zauberstab. Ping, ping, ping lässt er die Herren verschwinden: Erik Satie, Marcel Duchamp, Man Ray, Darius Milhaud und etliche andere Meister der Avantgarde lösen sich in Luft auf. Das Zwischenspiel wurde berühmt, eine Wegmarke des experimentellen Films, während der Hauptakt (er hieß „Relâche“, Ruhepause) weitgehend in Vergessenheit geriet.

Viele Jahrzehnte später hat der Regisseur Robert Wilson die Idee wieder ausgegraben, als David Byrne für sein Monumentalstück „the CIVIL warS“ Zwischenmusiken schrieb, die sogenannten „Knee Plays“. Das ist es doch, was am Ende bleibt von all der Kunst – das Zufällige, Beiläufige. Sieht so aus, als sei inzwischen auch die Glosse fertig.Morgen: die Pubertät

Rüdiger Schaper

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