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Kultur: In den Sand gesetzt

Tote Bilder: Die Galerie Arndt & Partner zeigt Bjarne MelgaardVON PETER HERBSTREUTHKünstler aus Norwegen haben mit der Bürde zu leben, daß Edvard Munchs Werk lebendig geblieben ist.Vielen bleibt nichts, als mit ihm Frieden zu schließen, indem sie es wie eine historisch gewachsene Naturerscheinung hinnehmen.

Tote Bilder: Die Galerie Arndt & Partner zeigt Bjarne MelgaardVON PETER HERBSTREUTHKünstler aus Norwegen haben mit der Bürde zu leben, daß Edvard Munchs Werk lebendig geblieben ist.Vielen bleibt nichts, als mit ihm Frieden zu schließen, indem sie es wie eine historisch gewachsene Naturerscheinung hinnehmen.Bjarne Melgaard aus Oslo will es relativieren.Zwar hat er in den letzten zwei Jahren mehr auf dem Kontinent als in Norwegen selbst ausgestellt, und er betont, er sei kein norwegischer Künstler.Aber sein Werk wird vom Kraftfeld Munch mitbestimmt, weil Munch der einzige bildende Künstler Norwegens geblieben ist, ohne den keine europäische Kunstgeschichte geschrieben werden kann.Munch gehört zum Kanon.Und Melgaard will sich messen.Er akzeptiert den Wahrnehmungsraum "Ausstellung" nicht als profane Veranstaltung, sondern verwandelt ihn in hell ausgeleuchtete Räume.In Oslo hat er ein Tabu nach dem anderen gebrochen, hält sich insofern innerhalb der Kunstkonvention und ist neben dem vergleichsweise stillen Olav Christopher Jenssen in kürzester Zeit die leuchtendste Erscheinung am nordischen Künstlerhimmel geworden.Aber leider hat er die Ausstellung "Norwegian Gothic and One Fruitbat" weit unterhalb seiner Möglichkeiten angelegt und seinen ersten Berliner Auftritt in den Sand gesetzt.Wie immer hat er Aquarelle, Notizen, Zeichnungen, Collagen, Objekte, Skulpturen überbordend um einen Mann in einem kleinen Raum ausgebreitet.Doch im Zentralraum der Galerie tritt er als Maler auf, der Gemälde autonom präsentiert.Malerei war bislang Bestandteil von Installationen und wurde von ausgreifenden Bezugsfeld relativiert.Nun setzt er sie als eigenständige Gemälde.Damit ändert sich der Status des Bildes.Aber allein kann keines für sich einstehen.Denn totgemalte Bilder leben nicht länger als die Ausstellung.Melgaards Leichenschau ist ein Angriff auf den "guten Geschmack".Er hat ihn so in Szene gesetzt, daß man trotz der schwerblütigen Ernsthaftgkeit einen Schuß Ironie zu entdecken vermag.Doch seine Geschosse wirken selbst auf Abgebrühte etwas peinigend.In einer Installation wird alles Zitat.Der Künstler tritt in die Rolle eines Regisseurs und läßt die Dinge sprechen.Bei Malerei sprechen die Farben, der Auftrag und die Beziehungen zur Malerei überhaupt.Melgaard fetzt Figuren auf die mittelgroßen Leinwände, als habe er gerade kein Papier für eine Zeichnung gefunden.Letztes Jahr pilgerte er auf die MarquesasInseln zur Gedenkstätte Paul Gauguins, legte sich dort auf den weißen, warmen Grabstein unter die Sonne, masturbierte, fotografierte und hielt es in seinem veröffentlichten Tagebuch fest.Sein Freund, der Porno-Star Joey Stefano, war gestorben, weil er Drogen falsch dosierte.Ihm widmete er einen großen Altar mit Pin-ups, Zeichnungen, Büchern.So wird fast jedes Werk zur Hommage in Form eines langen Briefs aus tausend Schnipseln an einen verehrten Toten.Das Exemplarische liegt in der Darstellung, wie die Toten die Lebenden aktivieren und zu Handlungen veranlassen, die sonst ungetan blieben.Melgaard arbeitet nicht "frei" oder "aus sich selbst heraus".Sein Werk scheint von Toten erzwungen."Norwegian Gothic" ist in Eile dem unbekannten Galeriebesucher gewidmet und erschreckt ihn mit Totgemaltem.Die Szene auf dem Grab Gauguins bringt das Risiko seines Vorgehens zur Geltung.Wenn der Abstand zu den Gesprächspartner so dicht geworden ist, daß einer nur noch sich selbst in den anderen sieht, droht Entropie.Ein System, das das fremde Andere nicht mehr zuläßt, wird träge und stirbt."Norwegian Gothic" ist ein overkill an Lässigkeit mit Selbstzitaten.Doch solange der Großteil der Kunst hübsch und glatt für Flure und Wohnzimmer gefertigt wird, hat Schmuddeliges kontrastierenden Reiz.Bei Melgaard schien bisher alles möglich.Nun hat er seine Grenzen deutlich gemacht. Galerie Arndt + Partner, Auguststraße 35, bis 13.Juni; Dienstag bis Sonnabends 12 bis 18 Uhr

PETER HERBSTREUTH

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