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Und das soll schön sein? Jonathan (Marcus Bluhm), Nick (Harald Effenberg) und Patty (Susanne Gärtner) studieren einen Kunstkatalog. Foto: DAVIDS/Huebner

© DAVIDS/Huebner

Kultur: In der Kunstblase

Ein Malerstar und seine Kundschaft: Das Schlossparktheater zeigt „Die Vernissage“

Jonathan Waxman hat schon Bilder verkauft, die es noch gar nicht gibt. Kunstproduktion auf Warteliste. So läuft’s eben, wenn man Malerstar mit Millionenumsatz ist. Was aber, wenn die Bilder sich farblich mit dem Teppich beißen, will der Archäologe Nick von Waxman wissen. Hat der Käufer ein Rückgaberecht? Gute Frage. Nick, der im ländlichen England römische Latrinen und mittelalterliche Müllkippen ausgräbt, hat ohnehin ein sehr pragmatisches, man könnte auch sagen: antiquiertes Kunstverständnis. Gelten lässt er die Renaissance, nichts vorher und nichts danach, schließlich sei Kunst doch eine Feier der Schönheit.

Was der Marktliebling Waxman produziert, den die „New York Times“ auf zwei Seiten als bösen Buben und neuen Visionär seiner Zunft feiert, hält Nick für Pornographie. Berühmt geworden ist der jüdische New Yorker Maler vor allem mit dem Bild „Walpurgisnacht“. Es zeigt ein „gemischtrassiges Paar“, wie es hier heißt, das es auf einem geschändeten jüdischen Friedhof treibt. Ja gut, Schönheit ist da vielleicht der falsche Begriff. Könnte aber natürlich auch sein, dass der distinguierte Brite den amerikanischen Provokünstler gar nicht aus ästhetischen Gründen, sondern vor allem deshalb so hart angeht, weil Waxman mal eine Affäre mit Nicks Frau Patricia hatte. Und noch heute ein Patty-Bildnis über dem Kamin hängt, das Eifersuchtsschatten auf die Ehe wirft.

Der amerikanische Dramatiker Donald Margulies – unlängst noch am Broadway mit dem Kriegsreporter-Drama „Time Stands Still“ erfolgreich – hat sich in seinem schon älteren Durchbruchsstück „Sight Unseen“ (zu Deutsch: „Die Vernissage“) nicht eben wenig an Motivverquickung vorgenommen. Kunstblase und Selbstvermarktungsdruck, Musentum und Liebesflucht, das spielt hier alles zusammen und wird im Sprung zwischen Gegenwart und Vergangenheit verhandelt. Entsprechend dialoggeschliffen zieht Regisseurin Adelheid Müther die „Vernissage“ am Schlossparktheater auf. Bruchlose Unterhaltung, gut gespielt.

Harald Effenberg vor allem gefällt als zugeknöpfter Sarkast Nick, der im Duell mit dem Nebenbuhler auf Besuch fiese Spitzen zu setzen weiß. Susanne Gärtner trotzt dem Part der verletzten Ex-Künstler-Geliebten Patricia, die sich in die Vernunft-Ehe ergeben hat, Momente von Selbstbewusstsein ab. Und Marcus Bluhm spielt den New Yorker Erfolgs-Maler mit erster Werkschau in Europa überzeugend als Ungreifbaren, der zwischen Schuldbekenntnis und Selbstsucht laviert. Wobei das Stück ihn vor allem in den Kunstdebatten nicht besonders gut wegkommen, sondern phrasendreschend vor dem eigenen Werk kapitulieren lässt, das nicht erklärbar sei, sondern den Betrachter zum Nachdenken bringen solle – hört, hört. Autor Margulies steht wohl nicht unbedingt auf Seiten der Moderne.

Wirklich problematisch allerdings wird es, wenn Margulies, der aus einer jüdischen Mittelstandsfamilie in Brooklyn stammt, auch noch die Schrecken der Vergangenheit aufs Tapet bringt. Wenn Waxman von einer – ausgerechnet – deutschen Reporterin namens Grete (hintergründig nassforsch: Theresa Hübchen) angegangen wird, ob er seine Rolle als Außenseiter des Betriebs in „typisch jüdischer“ Diaspora-Larmoyanz bloß zelebriere, und dabei doch eigentlich Teil des Mainstreams sei? Oder wenn man den Maler als jungen, noch unbekannten Mann erlebt, wie er Patricia portraitiert und ihren Avancen ausweicht, weil die Beziehung zu einer Nichtjüdin der Mutter kaum vermittelbar wäre, und er die Last von sechs Millionen Toten auf seinen Schultern spürt.

Das sprengt den Rahmen eines Konversationsstücks, das in erster Linie ein Bild der Künstlereitelkeit im Intellektuellen-Milieu zeichnet: wo Ausstellung mit Nabelschau verwechselt wird. Patrick Wildermann

Wieder heute (Montag), am 5.4. sowie von 26.4. bis 1.5., 20 Uhr.

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