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Kultur: In dieser Höhle brennt noch Licht

Die Deutsche Bank sammelt seit 25 Jahren Kunst. In Berlin zeigt sie jetzt ihre Schätze

Im Jahr 1985 veröffentlichte Joseph Beuys, um kämpferische Parolen nicht verlegen, eine Serie von Postkarten mit der Aufschrift: „Letzte Warnung an die Deutsche Bank, beim nächstenmal werden Namen und Begriffe genannt.“ So kann’s gehen, Beuys: Heute verfügt die Deutsche Bank über die weltweit wahrscheinlich größte Kunstsammlung, die je ein Wirtschaftsunternehmen zusammengetragen hat. Und nicht nur das: Diese Sammlung wird auch noch von Kuratoren geleitet, die Beuys-Experten sind, eine von ihnen, Ariane Grigoteit, hat ihre Dissertation über ihn verfasst.

Beuys darf natürlich nicht fehlen, wenn die Kunstabteilung der Bank jetzt im Deutschen Guggenheim Berlin ihr 25-jähriges Bestehen feiert – mit einer Ausstellung, wie sie an diesem Ort noch nie zu sehen war. Umfang, Konzept und Ausstellungsarchitektur signalisieren, dass hier gratuliert werden soll. Mehr als 300 Arbeiten vom frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart, ausgewählt nicht nur von den Leitern der Kunstsammlung, sondern auch von gut zwei Dutzend prominenten „Paten“ überwiegend aus dem Kunst- und Bankgeschäft, das Ganze eingebettet in eine spektakuläre Kulisse der Londoner Star-Architektin Zaha Hadid.

Superlative allerorten also, und dennoch ist die Schau nicht zu der von manchen befürchteten triumphal-auftrumpfenden Geste verflacht. Das liegt einmal daran, dass die Deutsche Bank zwar etliche monumentale Werke besitzt, das Gros der Sammlung jedoch aus Arbeiten auf Papier besteht – Zeichnungen, Fotografien, Graphiken, die sich von sich aus nicht so stark in den Vordergrund drängen. Schon erstaunlich, wie eigen- und widerständig die Kunst ist, die die Bank in den vergangenen 25 Jahren erworben hat. Das Repräsentative, das Firmenkollektionen häufig auszeichnet, fehlt hier praktisch völlig. Im Gegenteil: Fotografien, etwa von Andreas Feininger oder Berenice Abbott, kamen zu einem Zeitpunkt in die Sammlung, als andere hierzulande noch darüber diskutierten, ob Fotos überhaupt ins Museum gehörten.

Der andere Grund, weshalb „25“ einen angenehm zurückgenommenen Eindruck hinterlässt, ist dem kuratorischen Konzept geschuldet. 25 Paten mit so unterschiedlichen Temperamenten unter ein Dach zu zwängen, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, hat dem Resultat in diesem Fall aber gut getan. Sicher, es ist ein teilweise groteskes Sammelsurium, in dem Nachbarschaften hart aufeinander prallen: Franz Marc neben Robert Rauschenberg, Paula Moderson-Becker neben Martin Kippenberger, August Macke neben Anselm Kiefer und Otto Dix. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Brüche und widersprüchlichen Gleichzeitigkeiten, das wird manchmal fast schmerzhaft offensichtlich.

Doch das ist nicht alles: Je länger man sich in der Ausstellung aufhält, desto stärker achtet man darauf, welcher Pate welche Werke ausgesucht hat. Plötzlich stellen sich für eine Kunstschau ungewöhnliche Fragen: Warum gerade der? Welche Verbindung gibt es da? Und: welche Verbindung könnte es noch geben? So zerfällt das disparate Konglomerat nach einer Weile in lauter kleine Persönlichkeitsinseln, die die Lesarten in neue, unvermutete Richtungen lenken.

Die letzte Verblüffung liefert das Büro Hadid: Wäre diese röhren- und höhlenartige Rauminstallation permanent, wäre sie definitiv ein Graus. Auf sieben Wochen begrenzt, ist sie ein Glücksfall, Kunst und Architektur symbiotisch vereinend. Seit Daniel Libeskind 1995 im Gropius-Bau die Ausstellung „Moskau-Berlin“ gestaltete, hat es solch ein Aufsehen erregendes Zusammenwirken nicht mehr gegeben.

Deutsche Guggenheim Berlin, bis 19. Juni, der Katalog kostet 39 Euro

Ulrich Clewing

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