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Kultur: In Klang gegossener Schmerz

Wer hätte das gedacht: abseits der künstlerischen "Leuchttürme", im betrüblich schwach gefüllten Großen SFB-Sendesaal, mit Neuer Musik, die auch nicht gerade gängige Vorstellungen von "Kunstgenuß" bedient, ereignet sich ein großer Abend. Heinz Holliger, dessen Dirigentenkarriere sich eher im Schatten seiner Lorbeeren als Oboist und Komponist abspielt, entlockt dem Deutschen Symphonie-Orchester diesmal die delikatesten Farben, Transparenz noch in den komplexesten Klangstrukturen und messerscharf präzise Rhythmik.

Wer hätte das gedacht: abseits der künstlerischen "Leuchttürme", im betrüblich schwach gefüllten Großen SFB-Sendesaal, mit Neuer Musik, die auch nicht gerade gängige Vorstellungen von "Kunstgenuß" bedient, ereignet sich ein großer Abend. Heinz Holliger, dessen Dirigentenkarriere sich eher im Schatten seiner Lorbeeren als Oboist und Komponist abspielt, entlockt dem Deutschen Symphonie-Orchester diesmal die delikatesten Farben, Transparenz noch in den komplexesten Klangstrukturen und messerscharf präzise Rhythmik. Daß die Reihe "Musik der Gegenwart" das immer noch beste und erfahrenste Orchester für zeitgenössische Musik in Berlin bestreitet, wird in der engagierten Genauigkeit, der analytischen Intensität der Musiker erneut klar.

Gewissermaßen seine Wurzeln legt Holliger mit einer Werkauswahl bloß, die in stimmigem Aufbau eine Hommage an seinen Lehrer Sandor Veress und dessen musikalischen Ziehvater Béla Bartók umfaßt. Die "Deux Images", 1910 noch unter dem Einfluß Debussys stehend, leiten mit zartglühenden Klängen, sprechenden melodischen Gesten und scharf dagegen opponierenden Rhythmen die Entwicklung einer Neuen Musik ein, in der aus elementaren Keimzellen gewonnene avantgardistische Strukturen und unmittelbare Emotion keine Gegensätze sind. Holliger bringt das nie folkloristisch-roh, sondern filigran ausgeformt, in atmender Bewegung. Elliott Carter, den solche Rhythmik zu einer Philosophie der musikalischen Zeit anregte, wirkt mit den Tonhöhenextremen seines Klarinettenkonzerts von 1996 starrer und beliebiger. Doch mit rasant davonflitzenden Läufen und Sprüngen kann Charles Neidich sein stupendes Können demonstrieren, von wechselnden "Standpunkten" im Orchester aus, die sein Solo klanglich unterschiedlich einbetten. Gegen diese doch etwas kühle Musik ist "Threnos" von Sßndor Veress, 1945 zum Tode Bartóks geschrieben, der reine in Klang gegossene Schmerz, mit dumpfem Paukenpuls, aufseufzenden Celli und wild ausbrechenden Blechbläserakkorden ein Trauermarsch à la Mahler.

Holliger selbst vermag das in "(S)irató" als ungarische Totenklage 1992, wiederum in memoriam Veress entstanden, noch zu steigern und sich zeitgenössisch zu distanzieren: Ein Bläser-Aufschrei, der in die Tiefe stürzt und in den Kontrabässen brodelt, sich mühsam erhebt und in langen Wellenlinien auflöst, Klangprozesse zwischen äußerstem Aufbäumen und schattenhaftem Verstummen, deren Energie immer wieder vom menschlichen Atem bestimmt wird.

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