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In KÜRZE: In KÜRZE

PANORAMA SPECIAL Tanz mit dem Tod: „Boven is het stil“ Der Tod hängt von Anfang an über diesem Film. Schon die abgeernteten Maisfelder im Vorspann, mit Krähenrufen unterlegt, sind ein Vanitassymbol.

PANORAMA SPECIAL

Tanz mit dem Tod:

„Boven is het stil“

Der Tod hängt von Anfang an über diesem Film. Schon die abgeernteten Maisfelder im Vorspann, mit Krähenrufen unterlegt, sind ein Vanitassymbol. „Sie wartet auf mich“, sagt später der Vater, als eine Krähe auf dem Baum neben seinem Fenster hockt. Nanouk Leopolds niederländischer Panorama-Beitrag „Boven is het stil“ spielt auf einem kleinen Bauernhof in Zeeland, einem Mikrokosmos mit 50 Kühen, ein paar Eseln und Schafen. Und zwei Männern. Der Vater (Henri Garcin) ist ein greiser, bettlägrig gewordener Patriarch, sein Sohn Helmer (Jeroen Willems) ein wortkarger Hüne, der es satt hat, herumkommandiert zu werden, und nun, mit Mitte 50, endlich sein eigenes Leben leben möchte. Er schleppt den Vater ins Obergeschoss – die Szene, in der er den eingefallenen Körper die enge Treppe hochwuchtet, wirkt wie eine Mischung aus Nahkampf und Tanz –, und richtet sich in dessen Zimmer neu ein. Dann passiert erst einmal: nichts.

Der Film folgt Gerbrand Bakkers Bestseller „Oben ist es still“ und steht der Romanvorlage an Lakonie nicht nach. Das Drama ereignet sich auf der Mikroebene. Es deutet sich an in den Blicken, die Helmer mit dem Milchfahrer wechselt, der regelmäßig den Hof besucht, und in der Beklommenheit, die einkehrt, als ein junger, attraktiver Knecht ins Haus zieht. Nanouk Leopold hatte vor zwei Jahren mit ihrem Film „Brownian Movement“ im Forum Aufsehen erregt, der Sandra Hüller als Ärztin beim Sex mit hässlichen Patienten zeigte. Ihren anti-psychologischen Stil hat sie beibehalten, nur verhalten sich die Figuren diesmal weniger erratisch. Bewegend die späte Offenbarung am Sterbebett: „Der Milchfahrer hat schöne Hände, manchmal schaue ich sie an. Deine Hände haben immer nur geschlagen.“ Dem Tod ist der Film nicht entkommen. Hauptdarsteller Jeroen Willems ist im Dezember bei Theaterproben in Amsterdam einem Herzinfarkt erlegen. Er wurde 50 Jahre alt. Christian Schröder

8.2., 18 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 9.2., 10 Uhr (Cinemax 7), 10.2., 17 Uhr (Cubix 9), 11.2., 14 Uhr 

FORUM

Liebe gegen alle Widerstände:

„Die 727 Tage ohne Karamo“

Zwei Dokumentarfilme und einen Spielfilm hat Anja Salomonowitz bisher gemacht, mit den beiden letzten waren sie im Forum zu Gast. Jetzt feiert hier ihr jüngster Film Premiere, der an den Dokumentarfilm „Kurz davor ist es passiert“ anschließt. Ging es da um Frauenhandel und sexualisierte Ausbeutung von Osteuropäerinnen in Österreich, so interessiert sich die Filmemacherin diesmal für Ehen von Österreichern mit Nicht-EU-Ausländern, die seit einer Gesetzesänderung schikanösen Bestimmungen ausgesetzt sind. So muss das Paar ein Mindesteinkommen von 1255 Euro plus Miete nachweisen und der nicht-österreichische Partner den Antrag in seinem Herkunftsland stellen – ein teures und für viele Flüchtlinge lebensbedrohliches Unterfangen.

Wie „Kurz davor ist es passiert“ beruht auch „Die 727 Tage ohne Karamo“ auf Berichten von Betroffenen. Damals hatte Salomonowitz die Geschichten verschleppter Frauen ihren Kontrahenten – also Grenzbeamten und Zuhältern – in den Mund gelegt. Auch im neuen Film ist die Identität von Rolle und Darsteller nicht eindeutig, die Erzählenden sind anti-naturalistisch in künstlichen Situationen und Orten inszeniert. Zusätzlich erläutert eine Stimme aus dem Off die Eigentümlichkeiten des österreichischen Fremdenrechts. Das ist lehrreich, wäre aber in zwanzig Minuten gründlich abgetan. Der Rest ist Illustration der Lektion am lebenden Objekt und wird durch die Verfremdungs-Anstrengungen nicht weniger ermüdend, im Gegenteil. Silvia Hallensleben

8.2., 19 Uhr (Delphi), 9.2., 22 Uhr (Cinemax 4), 11.2., 12.30 Uhr (Arsenal 1), 15.2., 19 Uhr (CineStar 8)

PANORAMA

Raki-Räusche im Schnee:

„Soguk“

Ein Zug rast durch eine weiße, winterliche Einöde. Erst als er weg ist, fällt der Mann auf, der an der Bahntrasse entlangwandert: die Mütze tief ins Gesicht gezogen, der Schnurrbart voller Schneeklumpen, eine hagere, ein wenig gebeugte Erscheinung. Er ist einer von zwei Brüdern in der nordostanatolischen Region Kars, die in eine blutige Tragödie um Liebe und Rache verwickelt werden. Doch die Geschichte wirkt allzu willkürlich zusammengesetzt aus Motiven des jüngeren türkischen Kinos: Prostitution im kleinen Grenzverkehr mit Georgien, arrangierte Ehen, provinzielles Patriarchat, ein Kampfhahn als Freiheitssymbol, Raki-Räusche, Gewaltexzesse. Selbst das Sounddesign von „Soguk“ – wenig Dialog, viel Geräusch – scheint von „Bal“-Regisseur Semih Kaplanoglu abgelauscht. Vor neu Jahren hat Ugur Yücel mit seinem Veteranendrama „Kopf oder Zahl“ bewiesen, dass er’s besser kann. Daniela Sannwald

9.2., 22.30 Uhr (Colosseum), 13.2., 19 Uhr (Cinemax 7), 14.2., 20.15 Uhr (CineStar 3), 15.2. 22.30 Uhr (Cubix 7 + 8), 17.2., 17.45 Uhr (CineStar 3)

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