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Kultur: In Pfeilgewittern

Wettbewerb (3): Zhang Yimous Nationalepos „Hero“

Bluttropfen, Wassertropfen, Tränen klatschen auf den Boden. Blätter zittern im Wind. Ganze Wälder färben sich rot, gelb oder grün. Federnd springen die Kämpfer durch die Luft, schnellen von Baum zu Baum. Zhang Yimous „Hero“ ist visuell überwältigend, fährt alles auf, was sich an landschaftlicher Schönheit und exzellenter Schauspielkunst finden lässt. Maggie Cheung und Tony Leung als Liebespaar, Berg- und Wüstenwelten in Cinemascope und Kung-Fu-Szenen vom Feinsten: Die 31 Millionen Dollar Produktionskosten waren nicht verschwendet.

In den Details bleibt der Film rätselhaft. Man müsste mehr von Farbsymbolik verstehen, um zu erkennen, nach welchem Muster die Gewänder von Rot (Mord aus Liebe) über Grün (Niederlage im Kampf) zu Weiß (Trauer und Entsagung) wechseln. Und von Kalligrafie, um die Zeichen, die in den Sand gemalt werden, lesen zu können. Eins jedoch versteht auch der unwissendste Zuschauer: Hier wird mit allem nur denkbaren Aufwand ein Nationalepos inszeniert.

Immerhin geht es um nichts Geringeres als die Gründung des chinesischen Weltreichs: Zhang Yimou erzählt eine Legende aus der grauen Vorzeit, als einer der chinesischen Teilkönige die Herrschaft über das Gesamtreich an sich riss. Dass dieser Qin unvorstellbar grausam war, seine Feinde hinrichten oder lebendig eingraben ließ, hindert ihn nicht, im Film am Ende siegreich dazustehen. Ausgerechnet der Held wird sich am Ende gegen den Tyrannenmord entscheiden – im Interesse des Volkes und des Staats. Nicht der Einzelne, sondern das Kollektiv zählt – alles klar? Immerhin – kleines Zugeständnis – darf der Herrscher am Ende weinen und den Gegner als Held begraben.

Wahrscheinlich ist neben China nur noch Russland in der Lage, derartige Statistenmengen aufzubieten. Hunderte von chinesischen Kriegern ziehen durchs Land, gehen in Stellung, schlagen klappernd auf ihre Schilde und schreien „Heil! Heil! Heil!“ oder „Tötet ihn!“ Man mag nicht gleich Propaganda rufen und den Vergleich mit Leni Riefenstahl bemühen angesichts der Choreografie der Masse Mensch. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass Chinas international bekanntester Regisseur und Berlinale-Dauergast mit „Hero“ einen Film gedreht hat, der auch den Funktionären im heimatlichen Politbüro gefallen dürfte – und gefallen hat: In China brach der Film alle Rekorde und provozierte eine lebhafte Debatte über die Darstellung der chinesischen Vergangenheit (Tsp. vom 7. 2.).

Natürlich hat „Hero“ Qualitäten: Man muss schon bis zu „Rashomon“ zurückgehen, um eine Geschichte zu finden, die ähnlich elegant in mehreren Versionen erzählt wird. Wer allerdings vor zwei Jahren gesehen hat, wie federleicht Ang Lee in „Tiger and Dragon“ mit dem Genre spielte und virtuose Kampfszenen mit einer Liebesgeschichte verband, der wird „Hero“ bei allen hohen Sprüngen doch ziemlich erdenschwer finden.

Heute 12 und 21 Uhr (Royal Palast)

Christina Tilmann

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