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Bässe am Rücken beim "Infektion!"-Festival in der Staatsoper.

© Tatjana Dachsel

"Infektion!"-Festival: Nerven sind zum Kitzeln da

Eine Klangperformance "ANS - Autonomes Nervensystem" beim „Infektion!“-Festival bringt musikalische Impulse näher an den Körper des Besuchers.

Kaum setzen wir uns hin, spüren wir am Rücken die angenehmen Bewegungen eines elektronischen Apparats. Gleich beginnt das Grübeln: Was ist das? Die Rotation eines Massagestuhls? Mitnichten. Schließlich sind wir in keinem Wellness-Hotel, sondern in der Werkstatt des Schillertheaters.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die wohltuenden Impulse aus einem von seinem Gehäuse befreiten Lautsprecher kommen, der an den Rückenlehnen befestigt wurde. So rücken die Impulse ganz nah an den Körper des Besuchers. Es handelt sich um Bassschläge, die Einleitung zu „ANS – Autonomes Nervensystem“, einer Klangperformance für sechs Instrumentalisten, Schattentheater, Video und Lautsprecher, die im Rahmen des „Infektion!“-Festivals der Staatsoper zur Aufführung kommt. Die griechische Komponistin Irini Amargianaki hat sich mit Musiktherapien für autistische Kinder beschäftigt und im Anschluss dieses Stück fürs Festival kreiert.

Changieren zwischen Angst und Freude

Schließlich geht das Licht an und der musikalische Teil beginnt. Die Musiker unter der Leitung von Robert Farkas loten die klangästhetischen Essenzen des Bewusstseins aus, die Fundamente des akustischen Seelenlebens. Es sind atonale Brechungen, die immer wieder die Klaviatur der eigenen Affekte bespielen. Katharina Hanstedts feine Harfenklänge transportieren Sanftmut und Balance, Alexandros Giovanos’ harte Paukenschläge attackieren das Unbewusste, die Bassklarinetten von Vincent Burkowitz und Joshua Löhrer bohren sich ins Hirn und das Violoncello von Xin Shi kommuniziert mit den Fühlfedern der Seele. Auch Mutsumi Shimamarus Cembalospiel klingt noch harmlos.

Doch dann, wenn es die Besucher am wenigsten erwarten, schlagen die Bässe am Rücken Alarm. Was eben noch ein Quell der Ruhe war, ist jetzt wild und wütend. Das Herz pocht, der Schock sitzt tief. Und so vermittelt dieses von Isabel Ostermann inszenierte Stück, dass Musik eben vor allem Bewegung ist, Körpererfahrung, ein Austausch mit den eigenen Nerven, das ständige Changieren zwischen Angst und Freude.

Parallel erscheinen auf den Leinwänden die Schattenspiele von Lisa Haucke, die den Körper von innen und außen sezieren. Langsam setzt sich die schlagende Pointe dieses 45-minütigen Experiments durch: Der Mensch ist eben nicht nur das, was er denkt, sondern auch das, was er sieht, fühlt, hört – und vor allem: spürt.

Weitere Aufführungen am 14. und 16. Juli, jeweils um 21 Uhr.

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