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Rätselraten. Tom Hanks als Wissenschaftler Robert Langdon auf der Suche nach der Wahrheit im Markusdom von Venedig.

© Sony Pictures

Inferno im Kino: Aber bitte mit Pathos

Von der Bibelauslegung zur Weltrettung: Ron Howard hat mit „Inferno“ zum dritten Mal einen Roman von Dan Brown verfilmt. Diesmal wird es wirklich ernst.

„Die Menschheit brauchte hunderttausend Jahre, um eine Milliarde zu erreichen. Und nur hundert weitere, um sich auf zwei Milliarden zu verdoppeln“, doziert der visionäre Biologe Bertrand Zobrist (Ben Foster) vor einer interessierten Zuhörerschaft. „Fünfzig Jahre später hatte sie sich erneut verdoppelt, von zwei auf vier Milliarden, im Jahr 1970.“ Zobrists These: Die Menschheit steuert unweigerlich auf eine Katastrophe zu. Seine Absicht: die Überbevölkerung eindämmen. Seine Methode: eine neue Pest.

Das wäre ein Fall für den brillanten Symbologen Robert Langdon (Tom Hanks). Eigentlich. Doch der ist nun leider nicht gerade in Topform. Mit Kopfverletzung und Amnesie erwacht er in einer Florentiner Klinik, geplagt von apokalyptischen Halluzinationen, gejagt von schießfreudigen Verfolgern. Gemeinsam mit der behandelnden Ärztin Sienna Brooks (Felicity Jones) gelingt Langdon im letzten Moment die Flucht, und in seiner Jackentasche findet sich auch schon der erste Hinweis: ein kleines Röhrchen, das eine Botticelli-Illustration zu Dantes „Inferno“ an die Wand projiziert. Das muntere Rätselraten durch die Kunst- und Literaturgeschichte kann beginnen.

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Mit seinen Bestsellern und deren Verfilmungen hat der amerikanische Autor Dan Brown ein Milliarden-Imperium geschaffen. Dabei ist die zugrunde liegende Erfolgsformel aus Schnitzeljagd, kulturhistorischem Diavortrag und Verschwörungsthriller höchst eigenwillig. Auch dieses Mal greifen diese Elemente nicht harmonisch ineinander: Langdons religions- und kunsthistorische Impulsreferate unterbrechen unmotiviert die atemlose Hetzjagd, und Zobrist hat nicht nur eine biologische Bombe entwickelt, die die halbe Menschheit auslöschen kann, sondern gleichzeitig eine liebevolle Versteckspielerei für den geneigten Dante-Nerd ersonnen, die seinen Plan noch vereiteln kann.

Erträglicher wird die merkwürdig wirre Mixtur, wenn eine Prise Komik ins Spiel kommt. In der besten Szene des Films verfolgt Langdon eine heiße Spur in den Vecchio-Palast: möglicherweise kann Dantes Totenmaske einen Hinweis auf den bevorstehenden Anschlag geben. Doch die Vitrine ist leer, die Maske gestohlen. Gemeinsam mit dem Sicherheitsdienst spult Langdon die Aufnahmen der Überwachungskameras durch, als die Situation plötzlich ins Peinliche kippt: auf dem Monitor ist kein anderer als Langdon selbst zu sehen, wie er für eine Ablenkung sorgt, die Maske unbeholfen unter seiner Jacke verschwinden lässt und sich davonmacht – und das alles im ulkigen Zeitraffertempo.

Meist ist jedoch nicht Humor das Bindemittel, mit dem Regisseur Ron Howard seine disparaten Zutaten zusammenrührt, sondern Pathos. Allerdings lassen die ständigen Verweise auf so Monumentales wie die Bibel, die Kunst der Renaissance oder auch die Pest die bildungsbeflissene Knobelei umso läppischer erscheinen. Eine Liebesgeschichte, die sich ungelenk anbahnt, nur um sogleich wieder im Sande zu verlaufen, wird nach diesem hochtrabenden Prinzip mit der unerfüllten Liebe von Dante und Beatrice gleichgesetzt. Die Schere, die sich hier zwischen Anspruch und Wirklichkeit auftut, beschert „Inferno“ ihrerseits fast schon wieder komische Züge.

Geht da noch mehr?

Auch das absurde Ausmaß der Bedrohung verleiht dem Film keine überzeugende Dringlichkeit, zumal das ethische Dilemma, das Zobrist wohl umgetrieben hat, kaum vertieft wird. Allemal auffällig ist aber der von Film zu Film erhöhte Einsatz: Ging es in „The Da Vinci Code“ (2006) vor allem um Fragen der Bibelauslegung, konnte Langdon in „Illuminati“ (2009) immerhin schon einen Anschlag auf den Vatikan verhindern. In „Inferno“ stehen nun das Leben von Milliarden Menschen und die Zukunft unseres Planeten auf dem Spiel – es dürfte nicht ganz leicht werden, sich in künftigen Sequels weiter zu steigern. Dass die einzelnen Teile nicht recht zusammenpassen wollen und die Plausibilität regelmäßig zu wünschen übrig lässt, wird die Fans von Dan Brown indessen nicht davon abhalten, sich bestens zu amüsieren. Warum auch? „Inferno“ bietet eine ausgewogene Mischung aus Bewährtem und Neuem: Robert Langdon, von Tom Hanks gewohnt mühelos gespielt, führt im Eiltempo durch neue Städte, Museen und Gemälde. Wegen seines Gedächtnisverlusts weiß er zwar nicht, vor wem er fliehen muss und wem er trauen darf. Aber seinen Dante kennt er auch mit schwerem Schädeltrauma noch aus dem Effeff.

Ab Donnerstag in 22 Berliner Kinos, OV: Alhambra, Karli, Colosseum, Cinestar Sony Center, Cinestar Imax.

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