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Ein Besucher nähert sich an eine Lampe von Ingo Maurer auf einer Ausstellung 2005. Maurer wird auch als "Poet des Lichts" bezeichnet.

© dpa/picture alliance

Ingo Maurer: Lass leuchten

Das Bauhaus Archiv zeigt den großen deutschen Lichtdesigner Ingo Maurer. In den 80ern hat fast jeder mit dem Designer zusammengewohnt - meist ohne es zu wissen.

Dann hat es „Bulb“ gemacht: 1966 stülpte Ingo Maurer der schlichten Glühbirne eine Glühbirne über. Seine Tischlampe allerdings war aus verchromtem Metall, mundgeblasenem Kristallglas und mindestens dreimal so groß und breit wie das formgebende Original.

„Bulb“ wanderte schnurstracks in die Sammlung des Museum of Modern Art. Nicht allein wegen ihrer Eleganz, sondern weil Maurer mit diesem Erstlingswerk auch ein Prinzip formulierte, das ihn die vergangenen vierzig Jahre als Industriedesigner begleitet hat: Die Lampe ist für die Birne da – als Rahmung und nicht, um sie zu verbergen.

„Lieferung mit Leuchtmittel – Licht von Ingo Maurer“ heißt deshalb seine Ausstellung im Bauhaus Archiv. Sie würdigt den großen deutschen Lichtkünstler mit einer Auswahl von 30 Objekten, für die er bereits vielfach geehrt worden ist. 1999 übergab ihm die Stadt München ihren Designpreis, 2005 ernannte ihn die Londoner Royal Society of Arts zum „Royal Designer“ ehrenhalber.

Seit diesem Jahr kann sich Maurer zudem den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk ins Regal stellen. Viel wahrscheinlicher aber ist, dass er die schwarze Skulptur irgendwo einbaut und daraus seinen nächsten Kronleuchter macht. Ähnlich wie „Campari Light“ von 2002: ein Lampenschirm aus zehn kleinen Campari-Soda-Flaschen, deren rötliche Flüssigkeit einen wunderbaren Lichtfilter für die 75-Watt-Lampe im Innern abgibt. Auch sonst scheut Maurer den Griff in die Wohnungsregale nicht. „Canned Light“ (2003) war einmal eine Konservendose, und der flexible Arm von „Alizz c. Cooper“ (2008) ist zweifellos ein schwarz-gelbes Stück Gartenschlauch.

„Porca Miseria!“ heißt eine andere Hängelampe, die aussieht, als hätte Papa einmal ordentlich auf den Tisch gehauen. Zerbrochenes Porzellan fliegt nach allen Seiten, Messer und Gabel ragen vorwitzig aus dem Scherbenhaufen, der an feinen Drähten von der Decke hängt. Ein Chaos, mit dem Maurer sein Handwerk an gestalterische Grenzen bringt. Auch das hat System und stellt jenen noch immer gültigen Konsens infrage, demzufolge der Lampenschirm in Schönheit erstrahlen muss. Für Maurer dagegen steht im Zentrum das Licht: Wie bahnt es sich seinen Weg durch das Porzellan, wie kommt es auf dem Tisch darunter und im Raum überhaupt an? Was spielt es da für eine Rolle, wenn die Scherben, Gartenschläuche oder jene Aluminiumtuben, die Maurer 2007 zusammen mit Ron Arad für die Lampe „Tu-Be“ verwendet hat, ästhetisch noch längst nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.

Auf der anderen Seite hat fast jeder in den achtziger Jahren mit Ingo Maurer zusammengewohnt. Ohne es zu wissen. Zwei silberne Drähte an der Decke, ein Niedervolttrafo und jede Menge Halogenreflektoren, die sich direkt an die Kabel klemmen ließen – das war seine Idee. Er sei damals auf Haiti gewesen und habe einen Mann gesehen, der seine Glühbirnen ohne Fassung gleich mit dem Stromkabel verlötete. „YaYaHo“ hieß Maurers Interpretation, die allen europäischen Normen gehorchte und danach unendlich oft kopiert worden ist. Dass kein Imitat so gut war wie das Original, belegt die Ausstellung im Bauhaus Archiv dank all jener Zusatzelemente, mit denen sich „YaYaHo“ komplettieren lässt.

Ein Leuchtsystem, so flexibel und beweglich, dass der Designer die Formgebung letztlich dem Nutzer überlässt. Maurer liebt diesen Gedanken. Seinen Entwürfen gibt er gern „etwas Unfertiges“ mit, um die mechanische Perfektion des Industrieprodukts zu unterlaufen. An die 70 Mitarbeiter arbeiten in seinem Münchner Büro an Entwürfen, von denen längst nicht mehr alle die Stringenz der Anfangsjahre besitzen. Doch selbst wenn Maurer zunehmend mit kalt oder sanft leuchtenden Stromsparern experimentiert, taucht eine doch immer wieder auf – die Glühbirne. Und sei es als Hologramm auf dem Acrylglasschirm der Halogenlampe „Wo bist du Edison, ...?“.

Das von der EU verfügte Ende der Glühlampe macht den Designer nicht bloß wütend. Vergangenes Jahr besann er sich auf „Bulb“ und stülpte der Birne erneut etwas über: ein „Euro Condom“ zum „Schutz vor dummen Regeln“. Mit seiner Hilfe lassen sich klare Birnen, die vorerst noch verkauft werden dürfen, in matte verwandeln. Auch ein Rahmen für das richtige Licht.

Bauhaus Archiv, bis 30.8., Mi-Mo 10-17 Uhr. Katalog: 5 Euro

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