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Kultur: Insel der Redseligen

In Zeiten des Übergangs wird alles zum Zeichen. Was etwa könnte den Wechsel der Berlinale-Leitung von Moritz de Hadeln zu Dieter Kosslick besser symbolisieren als die Jury-Spitzen 2001 und 2002?

In Zeiten des Übergangs wird alles zum Zeichen. Was etwa könnte den Wechsel der Berlinale-Leitung von Moritz de Hadeln zu Dieter Kosslick besser symbolisieren als die Jury-Spitzen 2001 und 2002? Bill Mechanic, einst Boss der 20th Century Fox, sollte für de Hadeln zuletzt den internationalen Wettbewerb begutachten - und nährte damit ungewollt noch einmal den Vorwurf, die Berlinale sei eine bessere Trittbrettrampe für ohnehin bevorstehende Hollywood-Filmstarts. Dieter Kosslick dagegen hat sich für Mira Nair entschieden: für eine Künstlerin aus dem multikulturellen Indien, die soeben in Venedig den Goldenen Löwen für ihren sympathischen "Monsoon Wedding" holte (nebenbei: der Film läuft morgen und Sonntag schon mal im Arsenal).

Friede, Freude und die Lust am Zusammenwerfen eigener Multi-Kulturalität verbindet auch die neue Berlinale-Spitze: die heitere, durchaus auch selbstironische Kommunikations-Lokomotive Dieter Kosslick, den umsichtig-erfahrenen Panorama-Chef Wieland Speck und den stets nachdenklich-intellektuell auftretenden Chef des Internationalen Forums, Christoph Terhechte. Alle drei präsentierten sich am Dienstag abend erstmals gemeinsam der Presse - gutgelaunt und vom Willen, um nicht zu sagen: von spirit beseelt, das Festival nach Jahrzehnten argwöhnisch wortkargen Nebeneinanders zu einer Insel der (miteinander) Redseligen zu machen.

Soeben zurück von einer gemeinsamen Auswahlreise nach Tokio und zum wichtigsten Asien-Festival im koreanischen Pusan, schien es allen vor allem um ein Ziel zu gehen: Die besten Filme gehören in den Wettbewerb und die immer noch guten in die Töpfchen Forum und Panorama. Bei der Filmsichtung unterstützt sie ein weitgehend neu formiertes Auswahlgremium: Dazu gehören neben der Berlinale-Filmmarkt-Chefin Beki Probst die Produzenten Katrin Schlösser (ö-Film) und Christoph Friedel (Pandora), die Kinomacher Rainer Rother (Zeughaus Berlin) und Matthias Elwardt (Abaton Hamburg), die Filmjournalistin Anke Leweke und Alfred Holighaus. Letzterer, zuletzt bei der Berliner Senator-Film, verantwortet die neue Reihe "Perspektive Deutsches Kino".

Hier - und nur hier - gibt es auf den ersten Blick eine gewisse neue Unübersichtlichkeit. Denn in dieser zehn Filme umfassenden Reihe werden nicht die herausragendsten neuen deutschen Werke zu sehen sein, wie zunächst zu vermuten war, sondern in erster Linie Erfolge anderer, mithin kleinerer deutscher Festivals, denen bislang die Plattform Berlinale verwehrt war. Die deutschen Top-Filme gehen in den Wettbewerb - diesmal Tom Tykwers "Heaven" (Eröffnungsfilm am 6. Februar) und Dominik Grafs Melodram "Der Felsen" mit Karoline Eichhorn und Peter Lohmeyer. Weitere Premieren teilen sich das Panorama und das Forum, das hierfür seine Neue Deutsche Reihe aufgibt und sich somit strukturell geschickt um zehn Filme verschlankt. Es folgen die Holighaus-Reihe "Perspektive Deutsches Kino" und das traditionell von Heinz Badewitz betreute Schaufenster für internationale Fachbesucher. Der neue Titel seiner nun 20 in Deutschland schon bekannte Filme umfassenden Reihe ist "German Cinema".

Eine einzige Personalie, wenn auch nicht eben eine zentrale, entzieht sich zumindest formal der neuen Harmonie. Volker Noth, seit zwei Jahrzehnten Hausgrafiker und Entwerfer des oftmals umstrittenen Berlinale-Plakats, wird 2002 nicht mehr mit von der Partie sein. Was nicht heißt, dass man - auch das machte Kosslick gleich klar -, mit Noth irgendwie über Kreuz sei. Eher sah er nun ein bisschen bange der Konkurrenz so mancher Plakat-Ideen entgegen. Aber vielleicht war ja auch dieses Bangen nur hübsch gespielt. Ein Schlechtes muss das neue Glück ja haben.

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