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Kultur: Inseln trauriger Schönheit

KLASSIK

Eine knappe, sehnsüchtig aufsteigende und wieder in sich zusammenfallende Melodie, hektische, mit heftigem Bogendruck auf die Saiten gekratzte Einwürfe, sich überstürzende Tanzrhythmen – das sind die Elemente, die Leos Janácek in seinem 1. Streichquartett hart gegeneinander schneidet. Dazu inspirierte ihn die Novelle „Kreutzersonate“ von Leo Tolstoi, ein Ehedrama mit tödlichem Ausgang – und das Alban Berg Quartett spielt das im Kammermusiksaal der Philharmonie , als ginge es um das eigene Leben. Schönklang – zu dem sie selbstverständlich fähig sind – ist für die vier würdigen Herren aus Wien nicht oberstes Gebot; Wahrheit geht vor. Und die platzt bei Janácek aus den Tönen hervor, sinnlich, rauh, dann wieder berührend weich und immer überwältigend.

Von der jugendlichen Intensität und Unbedingtheit des seit über 30 Jahren konzertierenden Ensembles kann sich mancher Musiker späterer Generationen noch eine Scheibe abschneiden. Routine dagegen versteckt sich in der Selbstverständlichkeit des fabelhaft synchronen Agierens, im Aufnehmen und Weitergeben dialogischer Motive, im homogenen und individuell aufgebrochenen Klang. Ein „Gespräch vier vernünftiger Leute“, wie Goethe einst das Quartettspiel bezeichnete, wird aber selbst Haydns „Kaiserquartett“ noch lange nicht; zwar berührt das Variationenthema – Pate unserer Nationalhymne – durch schlichte Eindringlichkeit, doch die Ecksätze strotzen nur so von Temperamentsausbrüchen. Der Bogen zu Beethovens f-moll-Quartett op. 95 wird so ganz logisch geschlagen; ein grimmiges Stück, aus dessen rasenden Abläufen das Alban Berg Quartett immer wieder Inseln melancholischer Schönheit aufleuchten lässt.

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