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Hinter den Kulissen. Barrie Kosky möchte die Oper auch für Migranten öffnen.

© Gunnar Geller

Interview mit Barrie Kosky: „Wir haben die magische Grenze erreicht“

Seit 100 Tagen ist Barrie Kosky Intendant der Komischen Oper Berlin – und hat begonnen, mit alten Dogmen aufzuräumen.

Herr Kosky, Sie haben sich jüngst vehement gegen das Synchronisieren von Filmen ausgesprochen. Nun leiten Sie seit diesem Herbst selber ein Opernhaus, an dem traditionell alle fremdsprachigen Werke auf Deutsch gegeben werden. Wie geht das zusammen?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Film und Theater. In der Oper und im Schauspiel kommen die Worte immer aus dem Körper der Darsteller, egal, ob es sich um die Originalversion des Stücks handelt oder um eine Übersetzung. Die Stimme, die man hört, ist identisch mit dem Menschen, den man sieht. Im synchronisierten Film aber sieht man eine Person und hört dazu die Stimme einer ganz anderen Person.

Und damit haben Sie ein Problem?

Herr Kosky, Sie haben sich jüngst vehement gegen das Synchronisieren von Filmen ausgesprochen. Nun leiten Sie seit diesem Herbst selber ein Opernhaus, an dem traditionell alle fremdsprachigen Werke auf Deutsch gegeben werden. Wie geht das zusammen?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Film und Theater. In der Oper und im Schauspiel kommen die Worte immer aus dem Körper der Darsteller, egal, ob es sich um die Originalversion des Stücks handelt oder um eine Übersetzung. Die Stimme, die man hört, ist identisch mit dem Menschen, den man sieht. Im synchronisierten Film aber sieht man eine Person und hört dazu die Stimme einer ganz anderen Person.

Und damit haben Sie ein Problem?

Ja, denn die Synchronfassung ist eine Interpretation des Sprechers. Gerade im Deutschen, denn das Deutsche ist eine sehr direkte Sprache. Damit nimmt man nicht allein die Identität des Darstellers weg, sondern auch kulturelle Identität. Entscheidende Nuancen gehen verloren. Im britischen Englisch gibt es Akzente und Dialekte der Regionen, aber auch Klassenunterschiede, die sich dem Muttersprachler sofort mitteilen. Was ich im synchronisierten Film höre, hat dann nichts mehr mit dem zu tun, was ich sehe. Das ist unerträglich. Es ist mir ein Rätsel, warum im 21. Jahrhundert hierzulande noch so viel synchronisiert wird.

Als Australier haben Sie es aber auch leichter, weil die meisten Filme in Ihrer Muttersprache produziert werden. Vielleicht ziehen viele Deutsche einfach aus Bequemlichkeit die synchronisierten Fassungen vor?

Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Einstellung. Ob man nämlich neugierig ist, andere Sprachen zu hören. Und diese Neugier gibt es in Deutschland kaum.

Um auf die Komische Oper und die Deutschsprachigkeit zurückzukommen …

Wir machen hier keine synchronisierte Oper, sondern übersetzte. Aber natürlich stimmt es, dass bei bestimmten Werken durch die Übersetzung etwas von der Seele des Textes wie der Musik verloren geht. Bei vielen französischen Opern ist das der Fall, oft auch im slawischen Repertoire. Aber man darf nicht dogmatisch sein. Mozarts Da-Ponte-Opern sollte man jeweils in der Landessprache spielen. Aber russische Opern müssen meiner Ansicht nach in der Originalsprache gesungen werden, weil die Musik hier untrennbar mit der Sprachmelodie verbunden ist.

Deshalb werden Sie die Neuinszenierung von Tschaikowskys „Mazeppa“ im Februar auf Russisch herausbringen?

Ja, aber „Die Nase“ von Schostakowitsch, die wir in ein paar Jahren planen, werden wir auf Deutsch spielen, weil es ein Konversationsstück ist, bei dem die Zuhörer alles unmittelbar verstehen müssen.

Wie haben Sie es geschafft, das Abweichen vom Prinzip derDeutschsprachigkeit bei den Kulturpolitikern durchzusetzen?

Wir brauchen keine Erlaubnis der Politik. Aber ich habe alle wichtigen Akteure informiert. Es war der richtige Zeitpunkt, Traditionen müssen sich weiterentwickeln. Zudem habe ich klargemacht, dass ich bei der Frage nicht dogmatisch bin. Wir stellen ja das Repertoire nicht plötzlich auf Originalsprache um! Sondern wir entscheiden uns in konkreten Einzelfällen aus klaren Gründen. Die Mehrheit der Zuschauer möchte italienische Opern auf Italienisch hören. Rossini werden wir künftig in Originalsprache machen. Und auch die Sänger sagen uns: Danke schön!

Dennoch ist es in einer Stadt mit drei Opern den Geldgebern sehr wichtig, dass sich die Häuser klar voneinander absetzen. War die Deutschsprachigkeit nicht stets das Alleinstellungsmerkmal der Komischen Oper?

Ich denke nicht, dass unsere Identität von der Deutschsprachigkeit abhängt. Was uns einmalig macht, ist die Art, wie wir Oper machen. Da geht es um Spielfreude, da geht es um Ensemblegeist, die Auswahl der Stücke. Außerdem werden vier Fünftel des Spielplans weiterhin auf Deutsch gegeben – in dieser Spielzeit sind es 85 Prozent. Wir treten nämlich nicht mit großen Puccini- oder Verdi-Produktionen in Konkurrenz zur Deutschen Oper oder zur Staatsoper, sondern wollen viele deutsche Stücke spielen.

Nun stammte die erste Oper, die hier nicht auf Deutsch gespielt wurde, ausgerechnet von einem deutschsprachigen Komponisten: nämlich Alban Bergs „Lulu“, bearbeitet von Olga Neuwirth. War das als Provokation gedacht?

Absolut nicht. Als ich Olga gebeten habe, uns eine Oper zu schreiben, berichtete sie von ihrer Idee, einen neuen Schluss für die „Lulu“ zu schreiben. Und zwar auf Englisch, weil sie die Geschichte mit farbigen Sängern erzählen wollte, als Beispiel amerikanischer Rassendiskriminierung. Und das hat sie gemacht.

Die Komische Oper Berlin verfügt über eine Untertitelanlage in den Sitzlehnen. Neben Deutsch, Englisch und Französisch kann man sich den Librettotext nun auch auf Türkisch anzeigen lassen. Kommen dadurch mehr türkische Besucher?

Dazu haben wir noch keine Zahlen. Aber Andreas Homoki und ich haben damit vor allem ein Zeichen gesetzt: Wir wollen den Zugang erleichtern. Als Nächstes planen wir, eine asiatische Sprache anzubieten. Natürlich können Sie zynisch sagen: Das sind nur politisch korrekte Marketing-Gags. Aber dann schauen Sie sich an, was wir noch machen. Wir haben einen türkischsprachigen Mitarbeiter engagiert, der in die Schulen geht, in unserem Kinderchor singen viele türkische Kids, wir bieten Workshops auf Türkisch an. Es ist ein Langzeitprojekt.

Sie haben keinen Schreibtisch in Ihrem Büro, nur drei Sofas. Und auch sonst drängt sich nach den ersten 100 Tagen Ihrer Amtszeit die Frage auf: Sind Sie jemand, der grundsätzlich alles anders macht?

Nein! Ich habe nie diesen Reflex gehabt, mich von anderen abzusetzen. Ich versuche nur zu erforschen, was aus meiner Seele kommt. Da halte ich es als Privatmann wie als Regisseur und Intendant.

Ihr Monteverdi-Projekt, bei dem alle drei Opern des Barockkomponisten hintereinander gezeigt werden, war allerdings wirklich sehr extravagant, über die neue „Lulu“ haben wir schon gesprochen, und gerade haben Sie mit der Truppe 1927 Mozarts „Zauberflöte“ in eine Aufführung mit Leinwandspektakel verwandelt.

Natürlich ist man nach zwölf Stunden Monteverdi erschöpft, das ist ein Teil der Erfahrung. Tausende Zuschauer waren begeistert! Einen besseren Start hätte ich mir nicht wünschen können, wochenlang hat die europäische Opernszene über uns gesprochen. 20 Jahre lang habe ich die Monteverdi-Idee in meinem Herzen bewegt und vier Jahre lang vorbereitet. Wer dabei war, wird es nie vergessen. Bei wie vielen Vorstellungen haben Sie so ein Gefühl schon gehabt? Übrigens: Wer mag, kann die Stücke auch einzeln besuchen.

In dieser Saison wollten Sie Detlev Glanerts Oper „Solaris“ zeigen, die im Sommer in Bregenz uraufgeführt wurde. Obwohl die Komische Oper Koproduzent ist, werden Sie die Bregenzer Produktion nicht nutzen, weil Sie mit der Inszenierung nicht zufrieden sind. Stattdessen ist nun zu einem späteren Zeitpunkt eine eigene Berliner Inszenierung geplant. Was kostet das den Steuerzahler?

Nicht sehr viel. Wir haben uns mit 40 Prozent an den Produktionskosten beteiligt – das Geld ist natürlich weg. Aber wir werden im Mai und Juni an den für „Solaris“ vorgesehenen Terminen unsere Publikumsrenner „Orpheus“ und „Zauberflöte“ zeigen. Bei zeitgenössischer Musik können wir nur mit 50 Prozent Auslastung rechnen, die Ersatzvorstellungen werden mit Sicherheit ausverkauft sein. So gleichen wir über die Mehreinnahmen die verlorene Summe weitgehend aus. Natürlich ist mir die Entscheidung nicht leicht gefallen. Aber uns war es sehr wichtig, dass Glanerts Partitur, die ich großartig finde – und die wir übrigens in erster Linie finanziert haben –, in Berlin eine ideale szenische Umsetzung erfährt.

Ihr Resümee nach den ersten 100 Tagen ist also uneingeschränkt positiv?

Ich habe zwei Aufgaben: Erstens, wunderbare Künstler ans Haus zu bringen, zweitens will ich einmalige Erlebnisse für die Zuschauer schaffen. Für die Zuschauer wohlgemerkt, nicht für die Kritiker oder die Politiker. Wir liegen jetzt bei einer Auslastung von 79 Prozent. Das hätte ich nie erwartet. Mit Klaus Wowereit und André Schmitz hatte ich besprochen, dass ich auf die magische Grenze von 70 Prozent hinarbeiten werde. Ich hoffe, dass wir das Ergebnis über die Spielzeit halten können. Die „Zauberflöte“ ist übrigens bislang der größte Kassenerfolg, den die Komische Oper in ihrer Geschichte erlebt hat.

– Das Gespräch führte Frederik Hanssen.

Barrie Kosky (45) stammt aus Melbourne. Von 1990 bis 1997 war er künstlerischer Leiter der Gilgul Theatre

Company, von 2001 bis 2006 Intendant des Schauspielhauses Wien. Seit der Spielzeit 2012/13 ist er Intendant der Komischen Oper Berlin.

„Als in Australien geborener Jude mit Großeltern aus Weißrussland, Ungarn und Polen fühle ich mich vollkommen

zu Hause hier in Berlin. Berlin war immer und ist eine Stadt für Zigeuner und Wanderer. Es ist eine Stadt für Vertriebene, Träumer und

verlorene Seelen“, sagte er 2011 bei

seiner Vorstellung.

An der Komischen Oper hat er unter anderem Ligetis Le Grand Macabre, Mozarts „Figaros Hochzeit“, Dvoráks

„Rusalka“ und Weills

„Die sieben Todsünden“

inszeniert und die laufende Saison mit einer Monteverdi-Trilogie eröffnet. Im Juni 2013 will er die Jazz-Operette Ball im Savoy von Paul Abraham inszenieren. uba

Ja, denn die Synchronfassung ist eine Interpretation des Sprechers. Gerade im Deutschen, denn das Deutsche ist eine sehr direkte Sprache. Damit nimmt man nicht allein die Identität des Darstellers weg, sondern auch kulturelle Identität. Entscheidende Nuancen gehen verloren. Im britischen Englisch gibt es Akzente und Dialekte der Regionen, aber auch Klassenunterschiede, die sich dem Muttersprachler sofort mitteilen. Was ich im synchronisierten Film höre, hat dann nichts mehr mit dem zu tun, was ich sehe. Das ist unerträglich. Es ist mir ein Rätsel, warum im 21. Jahrhundert hierzulande noch so viel synchronisiert wird.

Als Australier haben Sie es aber auch leichter, weil die meisten Filme in Ihrer Muttersprache produziert werden. Vielleicht ziehen viele Deutsche einfach aus Bequemlichkeit die synchronisierten Fassungen vor?

Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Einstellung. Ob man nämlich neugierig ist, andere Sprachen zu hören. Und diese Neugier gibt es in Deutschland kaum.

Um auf die Komische Oper und die Deutschsprachigkeit zurückzukommen …

Wir machen hier keine synchronisierte Oper, sondern übersetzte. Aber natürlich stimmt es, dass bei bestimmten Werken durch die Übersetzung etwas von der Seele des Textes wie der Musik verloren geht. Bei vielen französischen Opern ist das der Fall, oft auch im slawischen Repertoire. Aber man darf nicht dogmatisch sein. Mozarts Da-Ponte-Opern sollte man jeweils in der Landessprache spielen. Aber russische Opern müssen meiner Ansicht nach in der Originalsprache gesungen werden, weil die Musik hier untrennbar mit der Sprachmelodie verbunden ist.

Deshalb werden Sie die Neuinszenierung von Tschaikowskys „Mazeppa“ im Februar auf Russisch herausbringen?

Ja, aber „Die Nase“ von Schostakowitsch, die wir in ein paar Jahren planen, werden wir auf Deutsch spielen, weil es ein Konversationsstück ist, bei dem die Zuhörer alles unmittelbar verstehen müssen.

Wie haben Sie es geschafft, das Abweichen vom Prinzip derDeutschsprachigkeit bei den Kulturpolitikern durchzusetzen?

Wir brauchen keine Erlaubnis der Politik. Aber ich habe alle wichtigen Akteure informiert. Es war der richtige Zeitpunkt, Traditionen müssen sich weiterentwickeln. Zudem habe ich klargemacht, dass ich bei der Frage nicht dogmatisch bin. Wir stellen ja das Repertoire nicht plötzlich auf Originalsprache um! Sondern wir entscheiden uns in konkreten Einzelfällen aus klaren Gründen. Die Mehrheit der Zuschauer möchte italienische Opern auf Italienisch hören. Rossini werden wir künftig in Originalsprache machen. Und auch die Sänger sagen uns: Danke schön!

Dennoch ist es in einer Stadt mit drei Opern den Geldgebern sehr wichtig, dass sich die Häuser klar voneinander absetzen. War die Deutschsprachigkeit nicht stets das Alleinstellungsmerkmal der Komischen Oper?

Ich denke nicht, dass unsere Identität von der Deutschsprachigkeit abhängt. Was uns einmalig macht, ist die Art, wie wir Oper machen. Da geht es um Spielfreude, da geht es um Ensemblegeist, die Auswahl der Stücke. Außerdem werden vier Fünftel des Spielplans weiterhin auf Deutsch gegeben – in dieser Spielzeit sind es 85 Prozent. Wir treten nämlich nicht mit großen Puccini- oder Verdi-Produktionen in Konkurrenz zur Deutschen Oper oder zur Staatsoper, sondern wollen viele deutsche Stücke spielen.

Nun stammte die erste Oper, die hier nicht auf Deutsch gespielt wurde, ausgerechnet von einem deutschsprachigen Komponisten: nämlich Alban Bergs „Lulu“, bearbeitet von Olga Neuwirth. War das als Provokation gedacht?

Absolut nicht. Als ich Olga gebeten habe, uns eine Oper zu schreiben, berichtete sie von ihrer Idee, einen neuen Schluss für die „Lulu“ zu schreiben. Und zwar auf Englisch, weil sie die Geschichte mit farbigen Sängern erzählen wollte, als Beispiel amerikanischer Rassendiskriminierung. Und das hat sie gemacht.

Die Komische Oper Berlin verfügt über eine Untertitelanlage in den Sitzlehnen. Neben Deutsch, Englisch und Französisch kann man sich den Librettotext nun auch auf Türkisch anzeigen lassen. Kommen dadurch mehr türkische Besucher?

Dazu haben wir noch keine Zahlen. Aber Andreas Homoki und ich haben damit vor allem ein Zeichen gesetzt: Wir wollen den Zugang erleichtern. Als Nächstes planen wir, eine asiatische Sprache anzubieten. Natürlich können Sie zynisch sagen: Das sind nur politisch korrekte Marketing-Gags. Aber dann schauen Sie sich an, was wir noch machen. Wir haben einen türkischsprachigen Mitarbeiter engagiert, der in die Schulen geht, in unserem Kinderchor singen viele türkische Kids, wir bieten Workshops auf Türkisch an. Es ist ein Langzeitprojekt.

Sie haben keinen Schreibtisch in Ihrem Büro, nur drei Sofas. Und auch sonst drängt sich nach den ersten 100 Tagen Ihrer Amtszeit die Frage auf: Sind Sie jemand, der grundsätzlich alles anders macht?

Nein! Ich habe nie diesen Reflex gehabt, mich von anderen abzusetzen. Ich versuche nur zu erforschen, was aus meiner Seele kommt. Da halte ich es als Privatmann wie als Regisseur und Intendant.

Ihr Monteverdi-Projekt, bei dem alle drei Opern des Barockkomponisten hintereinander gezeigt werden, war allerdings wirklich sehr extravagant, über die neue „Lulu“ haben wir schon gesprochen, und gerade haben Sie mit der Truppe 1927 Mozarts „Zauberflöte“ in eine Aufführung mit Leinwandspektakel verwandelt.

Natürlich ist man nach zwölf Stunden Monteverdi erschöpft, das ist ein Teil der Erfahrung. Tausende Zuschauer waren begeistert! Einen besseren Start hätte ich mir nicht wünschen können, wochenlang hat die europäische Opernszene über uns gesprochen. 20 Jahre lang habe ich die Monteverdi-Idee in meinem Herzen bewegt und vier Jahre lang vorbereitet. Wer dabei war, wird es nie vergessen. Bei wie vielen Vorstellungen haben Sie so ein Gefühl schon gehabt? Übrigens: Wer mag, kann die Stücke auch einzeln besuchen.

In dieser Saison wollten Sie Detlev Glanerts Oper „Solaris“ zeigen, die im Sommer in Bregenz uraufgeführt wurde. Obwohl die Komische Oper Koproduzent ist, werden Sie die Bregenzer Produktion nicht nutzen, weil Sie mit der Inszenierung nicht zufrieden sind. Stattdessen ist nun zu einem späteren Zeitpunkt eine eigene Berliner Inszenierung geplant. Was kostet das den Steuerzahler?

Nicht sehr viel. Wir haben uns mit 40 Prozent an den Produktionskosten beteiligt – das Geld ist natürlich weg. Aber wir werden im Mai und Juni an den für „Solaris“ vorgesehenen Terminen unsere Publikumsrenner „Orpheus“ und „Zauberflöte“ zeigen. Bei zeitgenössischer Musik können wir nur mit 50 Prozent Auslastung rechnen, die Ersatzvorstellungen werden mit Sicherheit ausverkauft sein. So gleichen wir über die Mehreinnahmen die verlorene Summe weitgehend aus. Natürlich ist mir die Entscheidung nicht leicht gefallen. Aber uns war es sehr wichtig, dass Glanerts Partitur, die ich großartig finde – und die wir übrigens in erster Linie finanziert haben –, in Berlin eine ideale szenische Umsetzung erfährt.

Ihr Resümee nach den ersten 100 Tagen ist also uneingeschränkt positiv?

Ich habe zwei Aufgaben: Erstens, wunderbare Künstler ans Haus zu bringen, zweitens will ich einmalige Erlebnisse für die Zuschauer schaffen. Für die Zuschauer wohlgemerkt, nicht für die Kritiker oder die Politiker. Wir liegen jetzt bei einer Auslastung von 79 Prozent. Das hätte ich nie erwartet. Mit Klaus Wowereit und André Schmitz hatte ich besprochen, dass ich auf die magische Grenze von 70 Prozent hinarbeiten werde. Ich hoffe, dass wir das Ergebnis über die Spielzeit halten können. Die „Zauberflöte“ ist übrigens bislang der größte Kassenerfolg, den die Komische Oper in ihrer Geschichte erlebt hat.

– Das Gespräch führte Frederik Hanssen.

Barrie Kosky (45) stammt aus Melbourne. Von 1990 bis 1997 war er künstlerischer Leiter der Gilgul Theatre

Company, von 2001 bis 2006 Intendant des Schauspielhauses Wien. Seit der Spielzeit 2012/13 ist er Intendant der Komischen Oper Berlin.

„Als in Australien geborener Jude mit Großeltern aus Weißrussland, Ungarn und Polen fühle ich mich vollkommen

zu Hause hier in Berlin. Berlin war immer und ist eine Stadt für Zigeuner und Wanderer. Es ist eine Stadt für Vertriebene, Träumer und

verlorene Seelen“, sagte er 2011 bei

seiner Vorstellung.

An der Komischen Oper hat er unter anderem Ligetis Le Grand Macabre, Mozarts „Figaros Hochzeit“, Dvoráks

„Rusalka“ und Weills

„Die sieben Todsünden“

inszeniert und die laufende Saison mit einer Monteverdi-Trilogie eröffnet. Im Juni 2013 will er die Jazz-Operette Ball im Savoy von Paul Abraham inszenieren. uba

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