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Kultur: Interview mit dem neuen Präsidenten der Bayerischen Theaterakademie "August Everding"

Peter Ruzicka (51) ist Musiker, Komponist und Jurist, lehrt an der Hamburger Musikhochschule Komposition und Kulturmanagement und leitet seit zwei Jahren die Münchner Biennale für neues Musiktheater. In Berlin kennt man ihn vor allem als ehemaligen Manager des Radio-Symphonie-Orchesters, in Hamburg als erfolgreichen Intendanten der dortigen Staatsoper, wo er bis 1997 zusammen mit Gerd Albrecht unter anderem Helmut Lachenmanns "Mädchen mit den Schwefelhölzern" aus der Taufe gehoben hat.

Peter Ruzicka (51) ist Musiker, Komponist und Jurist, lehrt an der Hamburger Musikhochschule Komposition und Kulturmanagement und leitet seit zwei Jahren die Münchner Biennale für neues Musiktheater. In Berlin kennt man ihn vor allem als ehemaligen Manager des Radio-Symphonie-Orchesters, in Hamburg als erfolgreichen Intendanten der dortigen Staatsoper, wo er bis 1997 zusammen mit Gerd Albrecht unter anderem Helmut Lachenmanns "Mädchen mit den Schwefelhölzern" aus der Taufe gehoben hat. Vor kurzem nun hat ihn die Bayerische Staatsregierung zum Nachfolger August Everdings als Präsident der Theaterakademie und Leiter des Münchner Prinzregententheaters gekürt. Mit Peter Ruzicka sprach Marion Ammicht.

Am 1. Oktober werden Sie offiziell zum Präsidenten der Bayerischen Theaterakademie "August Everding" ernannt. Glückwunsch! Aber wollten Sie nicht eigentlich lieber Intendant der Deutschen Oper Berlin werden?

Dies war der große Wunsch von Christian Thielemann, den ich als Dirigenten außerordentlich schätze, weil ich seit Jahren mit ihm zusammenarbeite und er entgegen allen weitverbreiteten Vorurteilen auch sehr wohl offen ist für neue Musik. Ich habe dazu jedoch weder ja noch nein gesagt.

Aber Sie haben nicht nur in München verhandelt, sondern beinahe zeitgleich auch in Berlin viele Gespräche geführt . . .

die aber leider nicht an den Punkt gelangt sind, dass die Sache in meinem Sinne entscheidungsreif gewesen wäre. Und ich will auch nicht verhehlen, dass ich in den Gesprächen mit der hiesigen Kulturpolitik wesentlich zufriedener war, weil man jenseits von Umwegerentabilität und Event auch über künstlerische Inhalte sprechen konnte.

Und warum war das in Berlin nicht der Fall?

In Berlin war man mit Antworten immer sehr schnell am Ende - vielleicht auch im Hinblick auf die Wahlen. Natürlich hat auch der gutwillige Herr Radunski den Wunsch, dass die Opernlandschaft in Berlin prosperiert, so dass es ihm persönlich sicher nicht schwer gefallen wäre, zu sagen, wir entschulden die Deutsche Oper Berlin und wir beseitigen den Mißstand, dass die Staatsoper unter den Linden 60 Abende weniger spielt, aber fünf Millionen mehr für Künstler ausgibt. Das ist ein Qualitätsgefälle, unter dem eigentlich kein vernünftiger Kollege das Amt hätte übernehmen können. Jetzt muß man unter den gegebenen Umständen darauf hoffen, dass ein Wunder passiert.

In München sind Sie zwar jetzt Präsident der Theaterakademie und Leiter des Prinzregententheaters, doch den Everdingschen Titel des Staatsintendanten hat man Ihnen verweigert - worin man schon einen persönlichen Affront vermutet hat.

So ganz habe ich diese Diskussion ehrlich gesagt nicht verstanden, denn aufgrund der rechtlichen Grundlage heißt der Leiter der Theaterakademie Präsident und nicht Staatsintendant. Und das Prinzregententheater, in dem die Theaterakademie zu Hause ist, ist ja auch kein viertes Staatstheater, was dieser Titel ja suggerieren könnte.

Insgeheim hätte Everding München neben der Bayerischen Staatsoper, dem Staatsschauspiel und dem Gärtnerplatztheater gern ein viertes Staatstheater beschert.

So wünschenswert das ist - aber das wäre ein finanzieller Quantensprung. Dazu wären mindestens 20 bis 25 Millionen im Jahr zusätzlich nötig. Erst dann könnte man über Eigenproduktionen reden. Das ist aber vorerst nicht geplant.

Zurück zur Theaterakademie: Wozu braucht man denn angesichts unzähliger arbeitsloser Schauspieler, Sänger, Dramaturgen und Regisseure eine solche Institution überhaupt?

Dahinter steckt die Vorstellung, für die Berufe des Sprech- und Musiktheaters qualifizierten Nachwuchs auszubilden und die Lücke zu schließen, die leider besteht zwischen der Ausbildung an einer Universität, aber auch an einer Musik- und Theaterhochschule und der Praxis. Jeder, der die Materie wie ich aus eigener Praxis kennt, weiß um dieses Problem. Darum bedarf es so einer hochqualifizierten Spitzenförderung. Und da weist die Akademie bislang eine eindrucksvolle Erfolgsquote auf. Ich denke bei den Regisseuren zum Beispiel an Claus Guth, der dieses Jahr die Eröffnungspremiere in Salzburg inszeniert hat.

Als Akademiepräsident stehen Sie einer Institution vor, deren Träger der Freistaat ist. Bei der Biennale für Neues Musiktheater, deren künstlerischer Leiter Sie nach wie vor sind, ist es die Landeshauptstadt München. Eine problematische Konstruktion?

Im Gegenteil: Ich denke, dass durch diese personelle Verklammerung interessante künstlerische Synergien möglich sind.Wenn beispielsweise Jürgen Flimm 2002 Regie bei einem Biennale-Projekt im Prinzregententheater führt, kann er davor, nach oder während des Projekts zusammen mit den Studenten Workshops abhalten. Ein weiteres Hauptanliegen von mir ist es, das Institut für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts zu öffnen. Ich denke, da gab es bislang wenig Akzente. Wolfgang Rihm wird kommen und eine Woche mit den Studenten arbeiten, aber auch Helmut Lachenmann. Außerdem halte ich es durchaus für denkbar, dass ein begabter Regieklassenabsolvent eine Biennale-Inszenierung übernehmen kann. Auch was die Dramaturgie anlangt, würde sich hier eine Vernetzung anbieten.

Ist denn die finanzielle Zukunft der Biennale gesichert?

Ja. Da hat es sehr gute Gespräche mit dem neuen Kulturreferenten Julian Nida-Rümelin gegeben, der sich nachdrücklich für die künstlerische Fortentwicklung dieses Festivals einsetzt. Wir arbeiten jetzt an verschiedenen Modellen, um die Biennale noch attraktiver zu machen, noch bessere Außenwirkung zu haben und noch mehr, nämlich fünf Musiktheaterprojekte statt bisher drei, zu produzieren.

Sie schreiben selbst gerade an Ihrer ersten Oper, einem Werk über Paul Celan, das im März 2000 in Dresden uraufgeführt wird. Glauben Sie denn, dass die Gattung fernab musealer Reproduktion tatsächlich eine reelle Überlebenschance hat?

Vor zehn Jahren war ich selbst nicht sehr weit entfernt davon zu sagen: Vielleicht stimmt es wirklich, die Oper ist tot. Es wächst nichts Neues mehr nach, was unserer heutigen Befindlichkeit näherkommen könnte, sondern es wird nur noch etwas reproduziert. Doch das hat sich mittlerweile kolossal gewandelt. Vor zehn Jahren hat sich kaum mehr ein Komponist für die Oper interessiert. Heute stehen alle Schlange und wollen schreiben. Auch Komponisten, von denen man es nicht erwartet hat, wie beispielsweise Claus-Steffen Mahnkopf, der fürs nächste Jahr eine Oper beisteuert. Auch er hat sich früher ja geradezu polemisch gegen die Oper gewandt, aber mittlerweile doch erkannt, dass es sich dabei um eine integrale Form handelt, bei der es in den gelungensten Momenten vollkommener Imagination auch heute noch zu den prägendsten Erfahrungen kommen kann.

Und das sehen Sie auch in Ihrer Eigenschaft als Kulturmanager so?

Planen kann man den Erfolg natürlich nicht. Er ergibt sich dadurch, dass unter glücklichen Umständen alle erdenklichen Faktoren zusammenpassen. Wir haben auch in Hamburg nicht vorhersehen können, dass bei der letzten Aufführung von Helmut Lachenmanns "Mädchen mit den Schwefelhölzern" noch 250 Leute versuchten, an Karten zu kommen und Sprechchöre anstimmten: "Wir wollen rein!" Das hat es in der Tat in der Form bei Neuer Musik noch nicht gegeben.

Am 1. Oktober werden Sie offiziell zum Präsid

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