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Die Geigerin Isabelle Faust.

© Josep Molina

Isabelle Faust beim Konzerthausorchester: Hypnotisch

Die Geigerin Isabelle Faust gastiert mit Bartóks 2. Violinkonzert beim Konzerthausorchester.

Béla Bartóks zweites Violinkonzert beginnt mit einem kurzen, undefinierten Gewölk aus Horn, Harfe und tiefen Streichern. Dann, nach nur sechs Takten, setzt die Sologeige ein und versteigt sich sofort in wildeste Sechzehntel- und Zweiunddreißigstelläufe. Im Konzerthaus weiß Isabelle Faust um den Effekt, den das macht. Sie setzt an, und sofort ist klar, wo der Puls des Abends schlägt: im hypnotischen Strich dieser phänomenalen Geigerin. In vielen Facetten schimmert er, ist lyrisch und kapriziös, kratzbürstig und verknarzt. Faust malträtiert ihre Stradivari regelrecht, als ginge es darum, den Preis für die schnellsten gerissenen Bogenhaare zu gewinnen.

Kaum bleibt da Zeit, ihr hochinteressantes Kleid zu studieren. Sackartig stülpt es sich mit zwei großen Wülsten im Kniebereich aus, zusammengehalten von einem eleganten schwarzen Oberteil. Dazu die absatzlosen Schuhe, was ihrer Erscheinung etwas Bäuerisches gibt. Hommage an den Folklore-Spezialisten Bartók? Wie dieser veredelt sie das Vorgefundene auf raffinierte Weise. Ihr Spiel ist alles andere als ländlich-täppisch, geprägt von einem Höchstmaß an Differenzierung. Im zweiten Satz, einer Variationenfolge, stellt sie das Thema als mondbeschienenen Nachtgesang vor. Faust führt, ohne zu dominieren. Das Konzerthausorchester mit Bertrand de Billy am Pult bekommt genug Gelegenheiten, verführerische Klangfarbenmischungen anzurühren. Dass es das kann, hat das Orchester zuvor schon in der zweiten Symphonie von de Billys Landsmann Henri Dutilleux vorgeführt. Genauer muss man ja von zwei Orchestern sprechen, denn Dutilleux teilt den Apparat (die Symphonie trägt den Beinamen „le Double“). Man hört das nicht direkt, aber die unterschwelligen Irritationen und Verrückungen, die den Gesamteindruck prägen, stammen auch daher. De Billy dirigiert das ein bisschen zu grell, Dutilleux könnte mehr Schattierungen und Zwielicht vertragen.

Bartók, Dutilleux – und Ravel. Das Konzert versammelt moderne Klassiker, die nie zur Radikalavantgarde gehörten. Obwohl „La Valse“ natürlich radikal ist in seiner Zertrümmerung aller k.u.k-Seligkeit. Aus dem Urgrund gezupfter Bässe, wie unter Geburtsqualen, schält sich ein Tanz heraus, wird harmonisch eingedellt, zu Tode gehetzt wie ein Tier. De Billy und das Konzerthausorchester legen schonungslos den Abgrund bloß, der im Walzer immer schon angelegt war.

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