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Electric Mist

© Berlinale

James-Lee-Burke-Verfilmung "In The Electric Mist": Im Sumpf des Verbrechens

"In the Electric Mist" basiert auf den Robicheaux-Romanen aus der Feder von James Lee Burke. Die Bücher stechen wegen ihres Südstaaten-Kolorits heraus. Ist Regisseur Bertrand Tavernier ein ebenso herausragendes Werk gelungen?

Ein Serienmörder treibt sein Unwesen und hinterlässt grausig verstümmelte Leichen. Auf dem Rückweg vom Tatort trifft Detective Dave Robicheaux (Tommy Lee Jones) den Hollywood-Star Elrod Sykes (Peter Sarsgaard), der ihn zu einer anderen Leiche führt: die längst verwesten Überreste eines schwarzen Mannes in Ketten. Eine Entdeckung, die schlimme Erinnerungen wach werden lässt. Hier, in New Iberia, gibt es vor der Vergangenheit kein Entrinnen. Im Schwemmland der Sümpfe von Louisiana sinken die Leichen ein – und die Geschichte behält die Gegenwart fest im Griff.

Bertrand Taverniers „In the Electric Mist“ basiert auf dem sechsten etlicher Robicheaux-Romane aus der Feder von James Lee Burke. Seine Bücher stechen aus der Masse amerikanischer Kriminalgeschichten heraus – wegen ihres besonderen Südstaaten-Kolorits, vor allem aber wegen ihres vergleichsweise vielschichtigen Helden. Dave Robicheaux, ein von Schuld geplagter Alkoholiker, Vietnam- Veteran und gescheiterter New-Orleans- Cop, gehört nicht zu jener Sorte simpel gestrickter „Hard-boiled“-Helden, die sich ins Zynische zurückziehen. Robicheaux hat seine Suche nach Frieden noch nicht aufgegeben. Nur seine gelegentlichen Gewaltausbrüche lenken davon ab, dass wir es hier mit einem katholisch geprägten Menschenfreund zu tun haben.

Tommy Lee Jones und Bertrand Tavernier haben das verstanden und glänzend umgesetzt: Die Gegend um New Iberia, ein „Drecksloch schlimmer als eine Toilette“, mag voller abstoßender Gestalten sein, die korrupt sind, brutal oder feige. Tavernier widersteht dennoch der Versuchung, in den naheliegenden Tonfall eines klassischen „film noir“ zu verfallen. Sein Film ist leise und traurig, hat einen fast zärtlichen Blick für seinen Helden.

Diese Tonlage zu treffen, ist zwar ein kleines Kunststück. Tavernier gelingt es aber nicht, dieser fragilen Oberfläche etwas dauerhaft Drängendes unterzuheben. Es reicht nicht, wenn nur ein alter Mann mit Gitarre auf der Veranda hockt und den verrätselten Ratschlag gibt, alte Geister besser ruhen zu lassen (selbst wenn er von der Blues-Legende Buddy Guy gespielt wird). Dem Film fehlt es an Latenz, es fehlt die Ahnung, dass etwas Vergangenes die Gegenwart bestimmt. Daher gewinnt „In the Electric Mist“ nie das Gewicht, das dieser Film hätte haben können. An den Darstellern liegt es nicht, sie machen ihre Sache gut.

Als Stimmungsstück ist „In the Electric Mist“ allerdings geglückt. Kameramann Bruno de Keyzer gelingt es ausgezeichnet, das schwere Grün und das milchige Licht von New Iberia einzufangen, mit seinen müden Menschen in ihren verwitterten Holzhäusern – müde nicht nur von der feuchten Wärme, sondern von ihrem Schicksal, in den Trümmern eines von Hurrikan Katrina verwüsteten Landstrichs zu hausen.

Für Bertrand Tavernier war dieser Film nach „Der Saustall“ (1981), als er einen Roman von Jim Thompson ins koloniale Westafrika verlegte, endlich die Gelegenheit, einen amerikanischen Kriminalstoff vor Ort zu drehen. Es wurde keine glückliche Erfahrung. Bereits 2007 abgedreht, wurde „In the Electric Mist“ von den amerikanischen Kooperationspartnern lange zurückgehalten. Sie nahmen Tavernier den Film aus der Hand, kürzten ihn um 15 Minuten und erlaubten sich Eingriffe in den Schluss. In Berlin zeigt Tavernier seinen mit Musik von Händel ausklingenden Director’s Cut.

8.2., 21 Uhr (Friedrichstadtpalast), 8.2., 22:30 Uhr (Urania)

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