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Der britische Musiker Jamie Lidell.

© Promo

Jamie Lidell live in Berlin: Butterblumen regnen vom Himmel

Jamie Lidell und The Royal Pharaohs begeistern im Berliner Astra Kulturhaus mit einem leidenschaftlichen Soul-Konzert.

Schnulziger Schmuse-Soul ist nicht gerade die geeignete Musik, um schwitzende Menschen in dampfenden Konzerthallen zu ekstatischen Reaktionen hinzureißen. Es sei denn, der Mann, der ins Mikro beißt, heißt Jamie Lidell. Er ist einer von denen, die das Genre in die Gegenwart katapultiert haben, obwohl die Musik des Briten nichts mit der Retro-Soul- Welle zu tun hat, sondern quasi eine postmoderne Konstruktion ist, die sich aus seinen Wurzeln in der experimentellen Technoszene um das Warp-Label speist.

Der 43-Jährige hat sich immer wieder neu erfunden und seine Einflüsse von Stevie Wonder über Prince bis zu Aphex Twin zusammengeworfen. Nachdem er zuletzt als One-Man-Show unterwegs war und inmitten eines mächtigen Maschinenparks auftrat, wo er sich aus vorproduzierten Beats und geloopten Gesangsspuren ein kleines Techno-Funk-Orchester zusammenbaute, hat er nun den Stecker gezogen und sich mit The Royal Pharaohs eine Begleitband zugelegt. Deren knackiger Live-Sound bereitet ihm beim Konzert im Astra Kulturhaus den idealen Boden, auf dem er seine leidenschaftliche Vokalakrobatik vollführen kann.

Am neuen Album "Building A Beginning" schrieb seine Frau mit

Wobei es noch immer ein Rätsel ist, wie der schmale Junge aus der britischen Provinz an diese Stimme geriet und sich zu einem Power-Soul-Sänger entwickelt hat, der den Gefühlsexzess bis in die verwinkeltsten Ecken treibt.

Dieses Erregungsniveau hält der ehemalige Wahlberliner auf der Bühne mittlerweile mit einer Abgeklärtheit, die wohl nur einer haben kann, der gerade Vater geworden ist und mit seiner kleinen Familie in Nashville lebt. Seine Frau hat an den Songs des neuen Albums „Building A Beginning“ mitgeschrieben, die so weich und zärtlich klingen, als würden Butterblumen vom Himmel regnen. Mit seiner achtköpfigen Band sorgt Lidell von Beginn an für Euphorie. Wie er sich mit jeder Menge Prince-Testosteron in höchste Falsett-Lagen schwingt, ist ebenso überzeugend wie seine schmelzenden Crooning-Einlagen, während seine Band mit Bläsersatz, Hammondorgel, Perkussion, E-Gitarre und dem tollen, von Jack White geborgten DaRu Jones am Schlagzeug Versatzstücke der schwarzen Musikgeschichte zitiert.

70 Minuten lang wird gewankt und gejubelt, bis das Konzert mit dem hymnischen „Don’t Let Me Let You Go“ schließt und als Zugabe noch eine mitreißende Jam-Session folgt, bei der sich jeder Musiker einmal in den Vordergrund spielen darf, bevor auch Lidell zurückkommt und das Publikum mit dem oberflotten „When I Came Back Around“ ein letztes Mal in Wallung bringt.

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