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Kultur: Jan am Anfang

Dirk Lütters souveränes Debüt: „Die Ausbildung“.

„Feedback“: ganz wichtig. Erstens soll Jans Teamleiterin ihrem Auszubildenden Feedback geben, seine „Kundenkontakte“ beurteilen. Zweitens soll Jan seinem Personalchef, der das dicke Auto täglich auf den Firmenparkplatz fährt und Jan auch mal kumpelig auf dem Beifahrersitz Platz nehmen lässt, Feedback über den Rest des Teams geben: Jan, zwanzig Jahre alt, ein wortkarger Typ mit kantigem Gesicht, bekommt als Azubi in dem Serviceunternehmen einen Gratiskurs in Sachen Ehrgeiz und Korrumpierbarkeit. Und was er sonst noch alles lernt: diverse wichtige Wirtschaftsanglizismen wie „Performance-Indikatoren“. Oder dass Zeitarbeiter mehr fürs Mittagessen zahlen müssen als Angestellte. Und durch Beobachtung seiner Mutter, Betriebsrätin der Firma, lernt er die Grenzen der Solidarität und die Ohnmacht des Betriebsrats kennen.

Vielleicht um das alles zu verarbeiten, brettert Jan in Dirk Lütters Debüt „Die Ausbildung“ allabendlich mit seiner alten Karre über die Landstraße, hört so laut Techno, dass die sorgsam frisierte Kopfhaut bebt, und schaltet zu Hause vom Sexchat lieber zur Handyverkaufsseite. Doch vor allem die leise wachsende Liebe zu einer jungen Zeitarbeiterin und ein Besuch bei seiner Teamleiterin lassen ihn zweifeln: Ist es wirklich egal, welche Probleme jemand hat? Geht Effizienz über Menschlichkeit? Und: Sollte er alles daransetzen, übernommen zu werden?

Lütter porträtiert in seinem formal radikal komponierten, genauen Film nicht nur einen Jugendlichen, dessen Denken vorsichtig angekurbelt wird, sondern das bekannte, tief in der Marktwirtschaft verwurzelte System. Aber statt einer Sozialstudie mit langen, anklagenden Dialogen hat er das Material in ein subtiles Drama verwandelt, das sogar aus tristem Bürograu fast poetische Bilder evoziert: So ist etwa zu Anfang Jans Gesicht in Großaufnahme zu sehen, während der Personalchef in der Unschärfe hinter ihm am gesprächstötend laut ratternden Drucker steht – und aus diesem Gerät wird später noch allerhand Handlungsrelevantes herausgezogen werden.

Ohne vordergründige Didaktik erzählt Lütter von den Hühnerleitern des Kapitalismus: Wer nie etwas infrage gestellt hat, flattert da leicht rauf und genauso schnell wieder runter. Einerseits fühlt Jan den Druck, den er an seine Teamleiterin weitergeben soll, andererseits muss das neue Handy her. Und auch die Mühen der Nach-Pubertät spart der Film nicht aus: Vorm ersten Date mit der süßen Kollegin rasiert der Protagonist sich die Schamhaare, aber zur Sache geht’s nicht.

Souverän spielt Joseph K. Bundschuh den unsouveränen Jan, und Stefan Rudolf als Personalchef lässt mit schmeichelnder Stimme auch schlimme Sachen einleuchtend klingen. Nur das Rattern des Druckers untermalt alles wie ein aufgeputschter Herzschlag.

fsk am Oranienplatz

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