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Kultur: Jeder Satz für einen toten Freund

Am bekanntesten sind natürlich „Zauberflöte“ und „Kleine Nachtmusik“. Aber hat schon mal jemand versucht, Mozarts bestes Werk zu ermitteln?

Am bekanntesten sind natürlich „Zauberflöte“ und „Kleine Nachtmusik“. Aber hat schon mal jemand versucht, Mozarts bestes Werk zu ermitteln? Das Stück, in dem sich der Mozart-Stil in reinster Ausprägung zeigt?

Würde man eine Umfrage unter Musikern machen, hätte vermutlich das Es-Dur- Divertimento Köchelverzeichnis 563 die besten Chancen. Tatsächlich ist dieses späte Kammermusikwerk von einer entwaffnenden Klarheit der Linienführung, sind hier Melodie und Ornament perfekt miteinander verschmolzen, lässt sich über seine vierzig Minuten Spieldauer tatsächlich keine Note fortlassen. Kein Wunder, dass die Aufnahme, die Jascha Heifetz, William Primrose und Emanuel Feuermann vor fast siebzig Jahren von dem Stück machten, wohl die Kult-Kammermusikaufnahme schlechthin ist und Musikliebhabern auch heute noch heiße Tränen entlockt.

Zu echter Popularität wird es das Es-Divertimento natürlich trotzdem nie bringen, erstens weil Kammermusik selbst im Fall Mozart nicht gerade massenwirksam ist. Und zweitens, weil die Besetzung mit Geige, Bratsche und Cello auch noch einen Spezialfall in dieser elitären Gattung darstellt, auch wenn es mittlerweile Formationen wie das Berliner Jacques Thibaud Trio gibt, die sich auf diese Literatur spezialisiert und gerade eine schöne Live-Aufnahme des Stücks vorgelegt haben. Umso begrüßenswerter deshalb, dass Köchel 563 im Umfeld des M-Day wenigstens ein Mal zu hören ist: Am Montagabend finden sich Geigerin Antje Weithaas, der Bratschistin Tabea Zimmermann und dem jungen französischen Cellisten Jean-Guihen Queyras im Kleinen Saal des Konzerthauses für Mozarts Meisterwerk zusammen.

Bei Mozart liegt der Fall übrigens ganz ähnlich wie bei Maurice Ravel: Während in der Publikumsgunst der „Bolero“ wohl auf alle Ewigkeit unangefochten vorn liegen wird, würde bei einer Musikerumfrage vermutlich Ravels Klaviertrio bevorzugt werden. Auch hier hat Jahrhundertgeiger Heifetz, diesmal zusammen mit Artur Rubinstein und Gregor Piatigorsky, bereits für eine Maßstäbe setzende Aufnahme gesorgt, die den schwerelos schönen und zugleich tief traurigen Charakter (Ravel widmete die einzelnen Sätze seinen im Krieg gefallenen Freunden) faszinierend hervorbringt. Am Dienstag wagen sich der Kanadier Emanuel Ax , derzeit pianist in residence bei den Philharmonikern, und die Philharmoniker-Stimmführer Guy Braunstein (Geige) und Olaf Manninger im Kammermusiksaal an das heikle Werk. Als Draufgabe gibt es übrigens noch eine Kuriosität: Richard Strauss’ Melodram „Enoch Arden“, für das sich immerhin einst Glenn Gould einsetzte, für Sprecher und Klavier, für das die Philharmoniker keinen geringeren als Ulrich Mühe gewonnen haben.

Jörg Königsdorf

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