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Kultur: Jenseits der Schwärze

Erinnern Sie sich noch, wie Lara - in "Jenseits der Stille" - ihrer tauben Mutter Filmdialoge mit Gebärden übersetzte? Auch Blinde müssen nicht auf Kino verzichten.

Erinnern Sie sich noch, wie Lara - in "Jenseits der Stille" - ihrer tauben Mutter Filmdialoge mit Gebärden übersetzte? Auch Blinde müssen nicht auf Kino verzichten. So genannte Audiodeskriptionen - akustische Untertitel beschreiben zentrale Handlungselemente, Mimik, Gestik und Dekors - bringen ihnen das Medium nahe.

Beim zweiten "Gaga"-Filmfestival im Berliner Eiszeit-Kino ist das Verfahren zum Beispiel in Lars von Triers "Dancer in the Dark" zu erleben. "Gaga" wurde 1999 ins Leben gerufen, Lebenshilfe, "Aktion Mensch" und die Deutsche Hörfilm GmbH unterstützen das Filmfestival. Eine starke Persönlichkeit wie Selma in Triers Melodram hat auch Elfi Mikesch in ihrem Dokumentarfilm "Die Markus Family" aufgespürt. Markus Anatol Weisse ist 45 Jahre alt, ebenfalls schwer sehbehindert und spricht mit der hohen Stimme eines Kindes. Seine futuristischen Gemälde erinnern an die der Surrealisten, deren Bilder der Berliner nie hat sehen können. Durch welche imaginären Welten wurde Markus inspiriert?

Probleme mit Liebe und Sexualität sind in fast allen Filmen Thema. Doch nicht immer ist der Leidensdruck so groß wie bei dem Rollstuhlfahrer, dem in Jean-Pierre Sinapis "Uneasy Rider" jede Prostituierte recht ist. Der schüchterne Alfredo alias "Captain Handicap" verliebt sich während eines Theaterprojekts heimlich in seine Partnerin. Sibylle Ott und Dominik Labhardt nähern sich in ihrer Schweizer Dokumentation Tabus und Barrieren im Umgang zwischen Behinderten und "Normalos". Entgegen üblichen Klischees ist nicht der Behinderte Opfer herzloser Mitmenschen. Dennoch ist es für seine Freunde kein Leichtes, ihre Zuneigung nicht zugunsten von Mitleid, Ungeduld oder gar Ekel zu verlieren.

In "My One Legged Dream Lover" erzählen einarmige und -beinige Australierinnen von ihren Erfahrungen mit Fetischisten. Die Freier sind nicht nur geil auf Stümpfe und Prothesen, sondern behaupten bisweilen gar, sie selbst wären gerne Invaliden. Das klingt makaber, und doch - die Protagonistin trifft auf Kontaktbällen Männer, die sie ernst nehmen. Das Filmfest verschreibt sich aber nicht nur schweren Gebrechen wie Invalidität, Kriegsverletzungen oder Down Syndromen. Vielmehr machen einige Beiträge bewusst, wie schnell jeder selbst von einem Tag auf den anderen selbst zum Behinderten werden kann.

Kirsten Liese

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