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Kultur: Joachim Sartorius, Generalsekretär und Lyriker

JOACHIM SARTORIUS, geboren 1946 in Fürth, begann seine Laufbahn 1973 im Auswärtigen Dienst.Zunächst als Kulturreferent in New York, dann in Ankara, später als Gesandter in Nicosia.

JOACHIM SARTORIUS, geboren 1946 in Fürth, begann seine Laufbahn 1973 im Auswärtigen Dienst.Zunächst als Kulturreferent in New York, dann in Ankara, später als Gesandter in Nicosia.Von 1986 bis 1994 leitete er das Künstlerprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berlin und war acht Jahre Direktor des DAAD-Büros Berlin.Von 1990 bis 1992 war Sartorius Vorsitzender des Kulturbeirats der EG-Komission in Brüssel.Er machte sich auch als Lyriker und Über setzer einen Namen.So ist er Herausgeber des Gesamtwerks von Malcolm Lowry sowie der Gedichte von William Carlos Williams.1996 stellte Sartorius den "Atlas der neuen Poesie", eine Bestandsaufnahme der lyrischen Moderne, vor.Seit 1996 ist er Generalsekretär des Goethe-Instituts, das morgen auf einer Pressekonferenz in Bonn seine Zukunftspläne vorstellen wird.

TAGESSPIEGEL: Herr Sartorius, mit der neuen Bundesregierung hat die Kulturpolitik insgesamt eine enorme Aufwertung erfahren.Was bedeutet das für das Goethe-Institut und den ihm zugeordneten Bereich der auswärtigen Kulturpolitik?

SARTORIUS: Wir begrüßen die Aufwerung der Kulturpolitik durch die neue Regierung.Sie war überfällig.Im Konzeptionellen, im Inhaltlichen sehe ich mehr Kongruenz für unsere Vorstellungen.So wittere ich auch größere Freiräume für unsere Arbeit.

TAGESSPIEGEL: Die Koordinaten der Weltpolitik haben sich, auch für Deutschland, in den letzten zehn Jahren dramatisch geändert.Ihr Institut scheint darauf aber nur zögerlich zu reagieren.

SARTORIUS: Wie kommen Sie darauf? Die Leitlinien unserer Arbeit haben sich immer wieder gewandelt, vor allem 1989, und noch einmal 1997, als wir ein neues Grundsatzprogramm verabschiedeten, das das Institut über das Jahr 2000 bringen wird.Ich greife jetzt nur die Menschenrechte, die Förderung funktionierender Zivilgesellschaften in Osteuropa heraus.Sie stehen in unserem Grundsatzprogramm, und sie hat Außenminister Fischer bei seinem kürzlichen Besuch im Goethe-Institut als zwei unserer wesentlichen Aufgaben bezeichnet.

TAGESSPIEGEL: Ist das alles mit Sprachkursen und immer weniger Geld für die kulturelle Programmarbeit zu leisten?

SARTORIUS: Die alte Bundesregierung hat der wichtigen Aufgabe der Sprachpflege im Ausland Priorität beigemessen.Daraus erwuchs eine eindrucksvolle Bilanz unserer Spracharbeit.Wir brauchen nun die gleiche Aufmerksamkeit für unsere kulturpolitische Arbeit, die wir als Programmarbeit und als multimedial vernetzte Informationsarbeit bezeichnen.Wir sind sehr froh, daß es bei den Herren Fischer und Naumann diese Aufmerksamkeit und dieses Engagement gibt.

TAGESSPIEGEL: Gilt das auch finanziell?

SARTORIUS: Die alte Regierung hat unsere Projektmittel innerhalb von fünf Jahren um 21 Prozent gekürzt.Legen wir die jetzt knapp 15 Millionen Programmittel auf die 135 Institute um, so hat jedes jährlich rund 125 000 Mark für die Programmarbeit.Jeder Kulturmanager weiß, daß schon eine einzige größere Veranstaltung internationalen Zuschnitts soviel kostet.Man hat uns am ausgestreckten Arm verhungern lassen.

TAGESSPIEGEL: Bleibt es bei den Stellenkürzungen und Sparvorgaben, die bis zum Jahr 2001 weitere Institutsschließungen im Ausland mit sich bringen?

SARTORIUS: Joschka Fischer hat uns versichert, daß er sich um größere finanzielle Unterstützung bemühen werde.Wir erhoffen uns finanziellen Flankenschutz auch von Herrn Naumann.Für uns ist ein Ende der Stellenkürzungspolitik das allerwichtigste.

TAGESSPIEGEL: Sich darauf zu verlassen, wäre nach den Erfahrungen der vergangen Jahre gewiß ein Wagnis, trotz dieser lauteren Absichten.

SARTORIUS: Sicher, die Staatstöpfe bleiben leer.Die Politiker müssen also den Mut zu Umschichtungen haben.Und wir müssen den Bundesfinanzminister und den Haushaltsausschuß des Bundestages, den eigentlichen Souverän, von unseren Positionen überzeugen.

TAGESSPIEGEL: 300 Millionen Mark Jahresetat der Goethe-Institute reichen also nicht?

SARTORIUS: Für einen weltweiten Auftrag der kulturellen Zusammenarbeit? Ein "global player" im Dialog der Kulturen muß besser ausgestattet sein! Und um dem von Ihnen insinuierten Verdacht der Maßlosigkeit zu begegnen: Die Netze der französischen Kulturinstitute und des British Councils arbeiten im Ausland mit einem mehr als doppelt so hohen Etat.

TAGESSPIEGEL: Wären nicht kostengünstigere Organisationsstrukturen denkbar und mehr privates Sponsoring?

SARTORIUS: Zum einen müssen wir aus dem Korsett der Kameralistik befreit werden.Zweitens planen wir ein Netz mit leichteren, beweglicheren Strukturen.Drittens erwägen wir die Gründung einer "Goethe-GmbH": Großsponsoren zahlen in einen Pool, aus dem wir dann gezielt Projekte finanzieren.

TAGESSPIEGEL: Wieso ist das nicht schon früher initiiert worden?

SARTORIUS: Wegen der Versteuerung von solchen Beiträgen in einem Pool.Es ist für keinen Sponsor attraktiv, uns zwei Millionen in dem Wissen zu geben, daß fast die Hälfte davon im Staatssäckel verschwindet.

TAGESSPIEGEL: Der Name Goethe ruft auch nach mäzenatischem Engagement ...

SARTORIUS: Deshalb werden wir schon bald eine "Stiftung für Sprache und Kultur" gründen, in die langfristig vielleicht auch das jetzt als privatrechlicher Verein organisierte Institut überführt werden kann.Aber auch da braucht es, wie bei den Sponsoren, eine Veränderung des Stiftungs- und Steuerrechts.Da ziehen Antje Vollmer, Elke Leonhard, die Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, Michael Naumann und wir am selben Strang.Ich bin also guten Muts.

TAGESSPIEGEL: Wie wollen Sie die Menschen, nicht nur jene, von denen Sie Geld erhoffen, überzeugen, daß es das Goethe-Institut weiter geben muß?

SARTORIUS: Sie sprechen unser Image an.Dieses ist in den Staaten und Städten, in denen unsere Institute arbeiten, ganz vorzüglich.Nicht leicht ist dagegen die Darstellung unserer Arbeit in Deutschland, weil sich ja 98 Prozent unserer Aktivitäten im Ausland abspielen.Ein weiteres Problem: Es gibt in Deutschland kein öffentliches Interesse an stringenter kultureller Darstellung im Ausland.Das hat auch damit zu tun, daß die Koordinaten unseres nationalen Selbstbewußtseins immer unsicher gewesen und seit der Vereinigung noch unsicherer geworden sind.So gibt es auch keinen deutschen "way of life", wie ihn die USA in ihrer kulturellen Außendarstellung als selbstverständliches Kapital zurgrundelegen können.

TAGESSPIEGEL: Worin besteht Ihr Kapital?

SARTORIUS: Deutschland hat für die Länder Mittel- und Osteuropas heute eine kulturpolitische Rolle gewonnen, die etwa mit jener vergleichbar ist, die die USA für Westdeutschland nach 1945 hatten.Die Demokratien des Westens, insbesondere Deutschland, stehen hier vor einer kulturpolitischen Aufgabe von historischen Ausmaß.Zugleich aber ist in Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas eine Abkehr von den gesellschaftlichen und kulturellen Grundwerte der westlichen Welt zu beobachten.Das betrifft die Ideen der Aufklärung, der Menschenrechte, die Werte der Humanwissenschaften.Die Goethe-Institute können verhindern helfen, daß der Westen und seine Kultur stumm und taub werden, in weiten Teilen der Welt.Das ist unser Kapital.

TAGESSPIEGEL: Bedeutet dies: Rückzug aus den westlichen Industrieländern, zugunsten Osteuropas, Asiens, Afrikas?

SARTORIUS: Eine solche Entwicklung muß behutsam vonstatten gehen.Der Kulturaustausch, die Ausrichtung kultureller Veranstaltungen, neue Theatergastspiele, Ausstellungen und Festivals, diese Funktionen und Aufgaben der Goethe-Institute werden in den westlichen Industrieländern zunehmend von international vernetzten Institutionen oder auch privaten Anbietern übernommen.Unsere Arbeit dort könnte man in Zukunft als eine Art kultureller Verbindungsarbeit definieren.In Osteuropa, in Asien und insbesondere in Afrika können wir damit noch dringend notwendige Basisarbeit leisten.

TAGESSPIEGEL: Eine solche Neuorientierung geschieht wohl nicht über Nacht.

SARTORIUS: Diese neue Ausrichtung werden wir in einem längeren Prozeß erproben.Sie kann nicht einfach dekretiert werden.Durchsetzen wird sie sich aber, schon wegen der realen Verhältnisse vor Ort.

TAGESSPIEGEL: Die Schließung einiger Institute in Europa hat im vergangenen Jahr zu heftigen Protesten geführt.

SARTORIUS: Deshalb sprach ich von Behutsamkeit.Als wir unser Institut in Marseille geschlossen haben, haben wir mehrere tausend Protestschreiben bekommen.Ich rede deshalb vorläufig auch nicht von Schließungen, sondern beispielsweise von Zusammenarbeit mit örtlichen Trägern, um Ressourcen freizubekommen.Vor allem in Westeuropa sollten wir künftig lokales Engagement stärker nutzen.Und wir denken auch an gemeinsame deutsch-französische Kulturinstitute, Prototypen künftiger europäischer Kulturinstitute.

TAGESSPIEGEL: Bedarf es, trotz der Programmautonomie Ihrer Institute im Ausland, für eine Neustrukturierung nicht auch deutlicherer Vorgaben?

SARTORIUS: Es gibt sie.In unserem Grundsatzprogramm: Da ist die Rede von der Bedeutung der kulturellen Dimension für die europäische Integration, vom Aufbruch in eine mehrsprachige Zukunft, vom Übergang von herkömmlichen Bibliothen zu modernen Informationszentren, von der Ressourcenzersplitterung zur Synergie in der Auswärtigen Kulturpolitik und - was die Darstellung des Landes betrifft - vom nachholenden Antitotalitarismus der schuldig gewordenen Nation zur gelassenen Selbstdarstellung einer demokratischen Mittelmacht.

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