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Die Band Nirvana mit Kurt Cobain, Mitte.

© Universal

Jugendroman: Nirvana, Maggie und der Teen Spirit

Eine Art Grunge-Roman von Jessie Ann Foley über die 90er Jahre

Wer in den neunziger Jahren Teenager war, dürfte bei so einem Buchtitel sofort elektrisiert sein: „Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain erschoss“. Kurt Cobain, das war der Frontmann der US-Grunge-Band Nirvana, der sich 1994 im Alter von 27 Jahren das Leben nahm und als erster MTV-Toter in die Popgeschichte einging. Obwohl Cobain zu einer Ikone des Pop wurde, ist das natürlich lange her – und es fragt sich, wie Teenager der Gegenwart auf diesen Titel reagieren. Das 2014 veröffentlichte Original heißt schlicht und viel unglamouröser „Carnival Of Bray“.

Die Geschichte, die die in Chicago lebende Autorin Jessie Ann Foley erzählt, spielt dann auch 1993 und 1994, in der hohen Zeit des Grunge, als Nirvana gerade ihr drittes Album „In Utero“ veröffentlicht hatten und zudem Bands wie Pearl Jam, Smashing Pumpkins oder Urge Overkill die Popmusik definierten. Heldin ist die 16 Jahre alte Maggie, die in Chicago groß wird, aber wegen der Heirat ihrer Mutter mit einem Iren zusammen mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Ronnie nach Irland ziehen muss. Sie wohnt nun seit ein paar Monaten in Bray, einer „feuchten, salzigen“ Kleinstadt in der Nähe von Dublin. Dass sie Eingewöhnungsprobleme hat, versteht sich, zumal sie kurz zuvor in ihrer Heimatstadt auf den Grunge-Geschmack gekommen ist. Ihr 26 Jahre alter Onkel Kevin hat sie zu einem Auftritt der Smashing Pumpkins mitgenommen, für sie „ein megageiles, lebensveränderndes Konzert“.

Ein Roman über die Neunziger Jahre.
Ein Roman über die Neunziger Jahre.

© one

Foley streut zwar viel Pop- und Zeitkolorit in ihren Roman und erzählt von einer Zeit, in der ihre Heldin Musik auf einem Discman hört und es noch lange keine Smartphones gibt – smells really like Neunzigerjahre, dieser Roman! Doch stellt sie sympathischer- und klugerweise die altersgemäßen Schwierigkeiten der pubertierenden Maggie in den Vordergrund: mit der Mutter, dem Stiefvater, den Jungs. Mit ersten öden Küssen, erstem öden Sex, der Suche nach Nähe und Aufmerksamkeit zu und von Eoin, ihrem Schwarm. Überhaupt geht es viel um Maggies Selbstwertgefühlssuche- und -findung. Dazu kommt, dass sie die ihr am nächsten stehenden Erwachsenenfiguren schwer vermisst: Großmutter Nanny Ei und eben Kevin. Als beide zu Weihnachten auf Irland-Besuch sind, kommt es zu einer Schlägerei zwischen Stiefvater Colm und Kevin. Kurz darauf nimmt sich Maggies drogenabhängiger Onkel in einer Art vorweggenommenen Parallele zu Cobains Selbstmord das Leben.

"Die Hymne unserer Generation"

Foley versteht sich auf Settings. Ob Chicago, Bray, Dublin oder später Rom, die Atmosphäre dort ist trotz einiger touristischer Klischees stimmig, nicht zuletzt mit den Augen einer 16-Jährigen betrachtet. Ähnlich stimmig ist der dramaturgische Kniff, dass Kevins Vermächtnis zwei Konzertkarten für Maggie sind, für den Nirvana-Auftritt Ende Februar in Rom. Maggie muss mit Eoin durch einige Turbulenzen, um dort hinzukommen und nach dem Konzert konstatieren zu können: „Sie waren Zeuge von etwas Bedeutendem gewesen. Die Hymne unserer Generation. Immer noch zitternd und halb taub erwachte die Menge allmählich aus ihrer Extase, ihrem religiösen Erweckungserlebnis, und strömte aus der Konzerthalle.“ Was folgte, ist bekannt, insbesondere der Generation, der Jessie Ann Foley entstammt, der Generation X. Als Pubertäts- und Coming-of-Age-Roman ist „Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm“ aber auch was für die Kinder dieser Generation. Gerrit Bartels

Jessie Ann Foley: Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm. Roman. Übersetzt von Susanne Klein. One Verlag, Köln 2016. 302 Seiten, 19,99 Euro. Ab 14 Jahren.

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