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Die russische Sopranistin Julia Lezhneva.

© Decca / Simon Fowler

Julia Lezhneva im Konzerthaus: Hals über Kopf

Voller Emotion und mit stupender Technik: Die russische Sopranistin Julia Lezhneva singt im Konzerthaus Arien von Vivaldi und Rossini.

Ein Applaus, wie ihn ein Publikum gewöhnlich erst nach einer gelungenen Darbietung gewährt, schallt Julia Lezhneva entgegen, als sie das Podium des Kleinen Saals im Konzerthaus betritt. Und die russische Sopranistin revanchiert sich bei ihren Fans auch auf der Stelle. Voller Emotion und mit stupender Technik stürzt sie sich Hals über Kopf in Antonio Vivaldis Arie „Agitata da due venti“. Äußerlich hat sie mit ihren weit aufgerissenen Augen, ihren die Stellung nur selten und dann ruckartig wechselnden Armen und ihrem steifen, von Brokat glänzendem Kleid etwas Puppenhaftes. Doch packend ist es in der Tat, wie sie die Arie, die vom Schwanken zwischen Pflicht und Treue spricht, in kontrolliert wilden Koloraturen von kerniger Tiefe bis zu durchdringender Höhe durchmisst.

Geistlichen Arien und Motettenausschnitten des 18. Jahrhunderts ist der weitere Verlauf des ersten Programmabschnitts gewidmet. Lezhneva kann das hohe Energieniveau durchgängig halten und auch ihre recht scharf und lang artikulierten S-Laute können den Fluss ihres Atems nicht wirklich stören. Der Eindruck von vertrauensseliger Entspannung, von dem Stücke wie etwa Porporas „Care deus cordis amantis“ auch erzählen, will sich dem Zuhörer allerdings nicht einstellen.

Mikhail Antonenko am Klavier

Noch mehr zu Hause scheint sich Lezhneva möglicherweise in der zweiten Programmhälfte zu fühlen, die dem 19. Jahrhundert gewidmet ist. Mit einem fließenderen roten Kleid angetan fiebert sie als verliebte Anzoleta in Rossinis „La regata veneziana“ dem Ruderer Momolo entgegen, und man spürt in jedem Ton, dass ihre Leidenschaft so stark ist wie seine Ruderkräfte.

Unter einen schönen Bogen spannt sie Bellinis „Ma rendi pur contento“, bevor sie sich mit Schubert der abgründigen deutschen Romantik zuwendet. Und hier gönnt sie sich zwischen zwei Liedern auch mal eine Pause und lässt ihren Klavierbegleiter Mikhail Antonenko mit dem Impromptu Ges-Dur allein zu Wort kommen. Mehr noch als in den Vor- und Nachspielen der vorangegangenen Arien gelingt es ihm hier, einen kantablen Spannungsausgleich zwischen den Gesangspartien zu schaffen. Schöne dialogische Momente halten danach Schuberts Lieder „Die junge Nonne“ und „Im Frühling“ bereit, bevor sich die begeisterten Zuhörer einen feurigen Zugaben-Reigen erklatschen.

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